Die Schweizer Politik zerbricht sich seit über zwei Jahren den Kopf. Darüber, wie nach dem Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative die Zuwanderung reduziert werden kann – ohne den Bruch mit der EU zu riskieren.
Aber weit und breit ist keine Lösung in Sicht. Heute ist erstmals das Parlament am Zug – Entscheidungen sind nicht zu erwarten. Und die EU will weiterhin nicht verhandeln.
Jetzt aber zeigen neuste Zahlen: Das Zuwanderungsproblem könnte sich von alleine entschärfen. Die relevante Netto-Einwanderung – Einwanderung abzüglich Auswanderung – ist im ersten Quartal 2016 regelrecht eingebrochen. Gemäss unveröffentlichten Zahlen des Staatssekretariats für Migration kamen in den drei Monaten netto rund 15'600 Personen in die Schweiz – das ist ein Drittel weniger als in den Vorjahresmonaten. Damals wanderten knapp 23'000 Personen ein.
Sollte es im weiteren Jahresverlauf in dieser Grössenordnung weitergehen, würde die Schweiz 2016 noch um rund 50'000 Personen wachsen – Asylbewerber ausgenommen. Dies wäre ein massiver Rückgang im Vergleich zu den letzten Jahren: 2015 wanderten netto 71'495 Personen ein. 2014 waren es 78'902 und 2013 sogar 81'084.
Der Rückgang erklärt sich dadurch, dass weniger Personen ins Land kamen – vor allem aber dadurch, dass mehr auswanderten. Im Januar und Februar verliessen 20 Prozent mehr Ausländer die Schweiz als in den Vorjahresmonaten.
Alle Sektoren – Landwirtschaft, Industrie und Dienstleistung – spüren diesen Trend. Die grösste Gruppe der Rückkehrer sind die Deutschen – jene Nationalität also, die in den letzten Jahren die Einwanderung geprägt hat. Bereits 2527 Deutsche kehrten im Januar und Februar zurück – fast so viele, wie im selben Zeitraum aus Deutschland einwanderten.
Wieso aber dieser Zuwanderungsknick? Dies dürfte zum einen «an der fragilen Verfassung der Schweizer Wirtschaft liegen, die seit dem Frankenschock unter einem Kostendruck leidet, der den Arbeitskräftebedarf im Inland hemmt», sagt der Präsident des Arbeitgeberverbands Valentin Vogt. Zum anderen dürfte namentlich die relativ gute Konjunkturlage in Deutschland die Arbeitsmigration in die Schweiz gedämpft haben.
Die Schweiz sei aber auf Zuwanderung angewiesen, so Vogt. Weil die Wirtschaft «das Potenzial inländischer Arbeitskräfte im internationalen Vergleich bereits hervorragend ausschöpft».
Daniel Lampart, Chefökonom beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund, macht ebenfalls die Frankenstärke sowie die Wirtschaftslage in der Schweiz und Europa für die sich abschwächende Zuwanderung verantwortlich. Dass Arbeitgeber das Potenzial im Inland ausschöpften, stimme jedoch überhaupt nicht, kritisiert Lampart. «Die Arbeitslosigkeit der über 50-Jährigen ist in den letzten Monaten massiv gestiegen.»