Die Geheimdienstbranche gleicht einem Spiegelkabinett. Wer sich darin bewegt, kann nie sicher sein, dass die Dinge wirklich sind, wie sie erscheinen.
Auch Daniel M. hat sich täuschen lassen. Der Schweizer Spion beschnüffelte deutsche Steuerfahnder für den Nachrichtendienst des Bundes (NDB) – und wurde dabei erwischt.
Es ist ein seltener Einblick, den diese Affäre ermöglicht. Er führt in die Abgründe des Agentenbusiness, in die schummrige Welt der Maulwürfe, Geheimoperationen und verdeckten Ermittlungen.
Insider zeigen sich von den merkwürdigen Aktivitäten der Schweiz nicht überrascht. «In diesem Geschäft gibt es keine Freundschaften», sagt Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom. Die westlichen Nachrichtendienste pflegten zwar Zweckbündnisse, etwa im Kampf gegen Islamisten. «Die Grenzen dieser Partnerschaften sind aber schnell erreicht.» Laut Schmidt-Eenboom spätestens dann, wenn nationale Interessen aufeinanderprallen.
Sie tarnen sich als Beratungsunternehmen
Die Affäre um den Schweizer Spion wirft nicht nur ein Schlaglicht auf staatliche Geheimdienste, sondern auch auf ein florierendes Geschäft, dessen Ausmass und Strukturen naturgemäss im Dunkeln liegen; auf die sogenannte Private Intelligence, geheimdienstliche Aktivitäten nichtstaatlicher Akteure. Immer mehr Einzelpersonen und Firmen mischen in diesem Schnüffelbusiness mit.
Der weltweite Markt für private Spionagefirmen boomt. Die USA sollen gemäss Experten jährlich mehr als 40 Milliarden Dollar an nichtstaatliche Ermittler zahlen.
Auch in der Schweiz sind Geheimdiensthelfer aktiv, vor allem in Zürich, Lugano und Genf. Sie tarnen sich als Beratungsunternehmen, sind in Wahrheit aber in der Informationsbeschaffung tätig. Ihr Personal: ehemalige Nachrichtendienstler und Kriminalpolizisten.
So wie Daniel M.: Als privater Ermittler soll er im Auftrag der Schweiz einen Maulwurf in die Finanzverwaltung des Bundeslands Nordrhein-Westfalen eingeschleust haben. Dabei behilflich war ihm gemäss deutschen Fahndern die Frankfurter Sicherheitsfirma KDM.
Für Privatagenten wie ihn sind solche Jobs lukrativ. Der Nachrichtendienst zahlte M. 90'000 Franken für die Operation.
Private übernehmen vermehrt Aufträge für Staaten
Privatspitzel sammeln Daten für Banken, Versicherungen und Industrieunternehmen. Meist geht es darum, Konkurrenten zu durchleuchten – immer häufiger aber übernehmen sie auch Aufträge für Staaten.
Eine dieser Firmen ist die Arcanum AG (lateinisch für Geheimnis) mit Sitz im Weissen Schloss von Zürich, einem neobarocken Prachtbau an bester Lage. Die Arcanum beschafft unter anderem Informationen für die US-Regierung und die amerikanische Justiz. Im Beirat sass unter anderem Meir Dagan (†71), Ex-Chef des israelischen Geheimdienstes Mossad.
Das Geschäft der Privatermittler ist undurchsichtig, die demokratische Kontrolle lasch. Immerhin: Seit September 2015 müssen Sicherheitsfirmen in der Schweiz ihre Auslandaktivitäten dem Aussendepartement melden. Bis Ende 2016 wurden 306 Auslandmissionen offen deklariert. 115 davon waren «nachrichtendienstliche Tätigkeiten».
Private haben den Spion ans Messer geliefert
Im Agentenkrimi um Daniel M. waren es am Ende auch Privatspione, die den Schweizer ans Messer geliefert haben. Der Schweizer liess sich gleich mehrfach täuschen. Von einem israelischen Top-Agenten, der ihm gefälschte Bankdaten unterjubelte. Vom deutschen Privatermittler Werner Mauss, der ihn an die Behörden verpfiff, und von seinem Ex-Arbeitgeber, dem Schweizer Geheimdienst, der ihn ohne Zögern fallen liess.«Nachrichtendienstliche Arbeit ist kein Streichelzoo», sagte Geheimdienstchef Markus Seiler letzte Woche. Für M. endete das Engagement in einem deutschen Gefängnis.