Nationalrat schmuggelt Amnestie-Regel ins Gesetz
Rabatt für Steuer-Schummler

Den Schweizer Steuerhinterziehern geht es an den Kragen. Schwarzgeld-Besitzer können jedoch auf grosszügige Hilfe aus Bern hoffen.
Publiziert: 30.09.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 04:44 Uhr
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CVP-Nationalrat Regazzi.
Foto: Christian Lanz
Von Guido Schätti

Der Damm ist gebrochen: Der Nationalrat nickte in der letzten Session den automatischen Informationsaustausch (AIA) ab. Damit ist das Bankgeheimnis Geschichte. In zwei Jahren wird die Schweiz die Namen ausländischer Bankkunden an deren Heimatstaaten ausliefern.

Im Gegenzug erhält der Berner Fiskus die Namen von Schweizern, die im Ausland Vermögen bunkern. Das versetzt Schweizer Steuerhinterzieher in Angst und Schrecken. Ihnen drohen Enttarnung und Nachsteuern.

Schwarzgeld-Besitzer können aber auf grosszügige Hilfe aus Bern hoffen. Klammheimlich schmuggelte der Nationalrat einen Zusatz in das AIA-Gesetz. Er sichert Steuersündern nicht nur Straffreiheit zu, sondern auch einen Discount von 50 Prozent. Statt für zehn Jahre, wie in der seit 2010 geltenden Steueramnestie vorgesehen, sind die Nachsteuern nur für fünf Jahre geschuldet.

Mr. Aldi im Nationalrat spielte der Tessiner CVP-Nationalrat Fabio Regazzi (53). Von ihm stammte der Antrag. SVP, FDP und Teile der CVP folgten ihm begeistert.

Im Sessionstrubel ging die Sache unter. Nur einer schlug Alarm: der emeritierte Berner Steuerrechtler Peter Locher (71). Er hatte bereits eine Volksinitiative im Kanton Tessin gebodigt, die einen Rabatt von 70 Prozent auf den Nachsteuern vorsah. Das Bundesgericht klassierte sie im April als verfassungswidrig. «Der Antrag Regazzi ist eine Trotzreaktion auf das Urteil des Bundesgerichts», sagt Locher zu BLICK.

Regazzi sieht nichts Böses in seinem Tun. «Durch den AIA werden die Bedingungen für Steuerhinterziehung erschwert. Es ist gerechtfertigt, gleichzeitig eine Amnestie durchzuführen, die den Namen verdient», sagt der Anwalt.  Wenn Schwarzgeld legalisiert werde, profitierten sowohl der Staat wie die Wirtschaft. «Die öffentliche Hand hat ein Interesse daran, dass das Geld in den Wirtschaftszyklus gelangt und Steuereinnahmen generiert.»

Unterstützung erhält er vom Zuger SVP-Nationalrat Thomas Aeschi (36). Massvoll eingesetzt, seien Amnestien ein sinnvolles Instrument. «Dem Staat können zusätzliche Steuereinnahmen zugeführt werden», sagt er. «Ein Zustupf ist willkommen. Die öffentlichen Budgets werden knapper.»

Locher widerspricht dieser Logik. «Es verstösst gegen rechtsstaatliche Prinzipien, wenn sich strafbares Verhalten als lohnend erweist», sagt er. Bei einem Dieb, der 100'000 Franken gestohlen habe und ertappt werde, käme es auch niemandem in den Sinn, ihm die Hälfte der Beute zu überlassen.

Unter dem Strich gingen die Steuereinnahmen sogar zurück, sagt Locher: «Es ist eine Illusion zu glauben, der Staat käme mit einem ‹Skonto› auf der Nachsteuer zu Mehreinnahmen. Wenn die Unehrlichen bevorteilt werden, ziehen auch Ehrliche die Konsequenzen und wandern in die Illegalität ab.»

Der Ball liegt nun beim Ständerat. Er kann den Passus kippen. Mit der heutigen Regelung gehen Steuersünder zwar straffrei aus, müssen aber für zehn Jahre Nachsteuern zahlen. Tausende machen davon Gebrauch. Seit 2010 meldeten sie 13,5 Milliarden Schwarzgeld. Die Nachsteuer spülte Bund, Kanton und Gemeinden 1,24 Milliarden in die Kasse.

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