Der Vorgang ist ungeheuerlich: Ein türkischstämmiger Polizist soll sich in Basel-Stadt im Polizeicomputer Daten von Erdogan-Gegnern in der Schweiz beschafft haben. Diesen Vorwurf erhob am Samstag die «Basler Zeitung». Wie die Zeitung und ihr Konkurrenzblatt «Basellandschaftliche Zeitung» übereinstimmend schreiben, bestätigt der Nachrichtendienst des Bundes, dass die Basler Behörden gewarnt waren.
In einem Mail von NDB-Chef Markus Seiler, das der «Basler Zeitung» vorliegt, heisst es: «Diese Person hat in der Tat im Spätsommer 2016 im Rahmen der Spionageabwehr die Aufmerksamkeit des Kantonalen Nachrichtendienstes (KND) in Basel-Stadt sowie des NDB auf sich gezogen. Der KND informierte daraufhin die Staatsanwaltschaft und diese den Kommandanten der Kantonspolizei. Die zuständigen Stellen entschieden sich aber wegen der aus ihrer Sicht damals nicht hinreichenden Verdachtsmomente, keine weitergehende Untersuchung oder Disziplinarmassnahmen einzuleiten.»
Türkischstämmige Grossrätin ist schockiert
Gestern schrieb der NDB in einer offiziellen Stellungnahme aber auch noch: «Konkrete Anhaltspunkte für Spionagetätigkeiten bestanden damals nicht.» Trotz dieser für die Behörden entlastenden Ergänzung zeigt sich die türkischstämmige SP-Grossrätin Edibe Gölgeli gegenüber der «Basler Zeitung» schockiert: «Dass die Basler Polizei dem Fall trotz einem Hinweis des Nachrichtendienstes offenbar nicht deutlich genug nachgegangen ist, halte ich für grob fahrlässig.»
Laut der Grossrätin seien der Leitende Staatsanwalt Alberto Fabbri sowie Polizeikommandant Gerhard Lips vom Nachrichtendienst über einen Spitzel in den eigenen Reihen informiert worden. Während gemäss Gölgeli türkische Bürger es in der Schweiz nicht mehr wagten, im kleinen Kreis Kritik an der türkischen Regierung zu äussern, schaue die Polizei weg. Sie sagte der Zeitung: «Ich verlange Sofortmassnahmen vom Departement Dürr.»
«Das wäre ein schwerwiegendes Vergehen»
Der angesprochene Justiz- und Sicherheitsdirektor Baschi Dürr (FDP) äusserte sich in der Zeitung erstmals zum Sachverhalt. Er habe grosses Verständnis dafür, dass die Vorwürfe gegen den Polizisten Verunsicherung und Besorgnis auslösten. «Die Weitergabe von Daten an ausländische Organisationen wäre ohne Zweifel ein schwerwiegendes Vergehen.» Für den Mitarbeiter gelte jedoch die Unschuldsvermutung. Sein Departement würde mit «Hochdruck» interne Abklärungen durchführen. (hlm)