Krach innerhalb der Schweizer LGBTI-Community
Lesben sauer auf Schwule

Die Lesben-Organisation LOS klagt über den Schwulen-Verband Pink Cross. Dieser würde alles Medieninteresse auf sich ziehen und so beitragen, dass andere Minderheiten «systematisch» ignoriert blieben.
Publiziert: 19.07.2016 um 11:43 Uhr
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Aktualisiert: 26.10.2018 um 12:19 Uhr
Teilnehmer an der Zürich Pride vom Juni 2014: So harmonisch wie auf dem Bild ist das Verhältnis unter den Verbänden von Lesben und Schwulen zurzeit nicht.
Foto: WALTER BIERI
Matthias Halbeis

Gestern lancierte die Lesbenorganisation LOS einen direkten Angriff – auf einen Schwulen-Verband: «Wir stellen mit Bedauern und Erstaunen fest, dass bei der Berichterstattung zur Diversität der LGBTI-Organisationen die ganze Aufmerksamkeit auf eine einzige Organisation gelegt wird. Sicherlich hat sie einen grossen Einfluss, weil sie über beträchtliche finanzielle Mittel verfügt.» Die Organisation heisst «Pink Cross» und wird in der Mitteilung auch explizit genannt.

Die Vorwürfe der LOS an «Pink Cross» sind deutlich: «Es kann nicht sein, dass die Minderheiten innerhalb einer Minderheit systematisch ignoriert werden und unsichtbar bleiben.»

«Keine homogene Gruppe»

Der Grund für den Schritt? «Wir möchten aufzeigen, dass die LGBTI-Gemeinschaft sich nicht auf die homosexuellen Männer beschränkt. Sie ist keine homogene Gruppe; sie umfasst viele Gruppierungen mit spezifischen Anliegen.» Zur sogenannten LGBTI-Gemeinschaft gehören Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intersex-Personen.

LOS-Geschäftführerin Barbara Lanthemann findet: «Wir bleiben einfach unsichtbar, Lesben werden nur im Zusammenhang mit Kindern ein Thema.» Was es beispielsweise für lesbische Paare heisse, wenn Frauen bei den Renten viel schlechter als Männer behandelt werden, werde kaum zum Thema. Sonst sieht Lanthemann keine Probleme mit Pink Cross: «Wir arbeiten abgesehen davon gut zusammen.» So etwa im Verein «Pro Aequalitate», der sich für die Durchsetzung von LGBTI-Gleichstellungs-Anliegen bei Volksabstimmungen stark machen will.

Innerhalb der Community diskutieren

Bei Pink Cross sagt Geschäftsführer Bastian Baumann zur LOS-Mitteilung: «Es ist weder Aufgabe noch Kompetenz von Pink Cross, für Lesben oder Transmenschen zu sprechen. Es liegt vollständig in der Aufgabenkompetenz der einzelnen Organisationen, eine aktive und lebendige Medienarbeit zu gestalten.» Und: «Die Geschichte der LGBT-Bewegung lehrt uns, dass die vulnerable Minderheit von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transmenschen nur geeint stark ist.» Fragen der Zusammenarbeit würde man gerne innerhalb der Community und nicht in den Medien besprechen. 

Die LOS führt weitere Organisationen an, die Opfer der Dominanz von Pink Cross sein sollen. So etwa Transgender Network Switzerland. Dessen Präsident Henry Hohmann sagt zur Medienmitteilung von LOS: «Es ist tatsächlich so, dass sich das Interesse der Medien auf Pink Cross konzentriert.» Und klar sei Pink Cross vor allem Vertreterin der Schwulen und ihrer Anliegen. Durch das Medieninteresse würde Pink Cross zum Teil auch für andere Gruppen innerhalb der LGBTI-Gemeinschaft sprechen: «Das ist in manchen Fällen okay, in anderen greift das schon auch in die Kompetenz der einzelnen Untergruppen ein.»

Das erläutert Hohmann am Beispiel der eigenen Organisation folgendermassen: «Für uns als Transgender-Personen ist die Schnittmenge mit den Homosexuellen-Organsationen ohnehin beschränkt.» Für Transgender Network Switzerland stehen Fragen zur Geschlechtsidentität, Zwangssterilisation oder die Regeln im Zusammenhang mit Namensänderung im Vordergrund. 

«Keine gute Idee»

Trotz allem ist für Hohmann klar: «Diesen Konflikt an die Öffentlichkeit zu tragen, finde ich kein gute Idee.» Immerhin stünden wichtige Abstimmungskämpfe an, wie etwa die Stiefkindadoption oder die Initiative «Ehe für alle». Da sollte die Gruppen eigentlich besser die Reihen schliessen.

Vorerst gibt es keine Hinweise, dass der Zwist zwischen LOS und Pink Cross bald ausgeräumt ist: Der Schritt an die Öffentlichkeit ist gemäss Insidern nur ein neuer Höhepunkt – denn innerhalb der LGBTI-Gemeinschaft werde schon länger ziemlich offen gestritten.

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