Seit 1995 hat keine AHV-Reform mehr eine Mehrheit beim Volk geschafft. Meist wurden die Sanierungsbemühungen mit allzu harten Sparmassnahmen verknüpft – und das Volk votierte dagegen. Derzeit berät die nationalrätliche Sozial- und Gesundheitskommission die Reformvorlage «Altersvorsorge 2020» von Sozialminister Alain Berset.
Nachdem der Ständerat einen Kompromiss zwischen Sanierungsmassnahmen und Kompensationen gefunden hatte, fielen letztere in der Nationalratskommission gänzlich durch (BLICK berichtete). Jetzt berichtet die «Basler Zeitung» von einer «fragilen Allianz» der Wirtschaftsverbände in der Vorsorgefrage. Bürgerliche und vor allem die Wirtschaftsverbände seoem uneins sind, ob derEntscheid der neuen bürgerlichen Mehrheit im Nationalrat wirklich weise sei.
Versicherer zittern vor Reform-Flop
Vor allem die Versicherungsbranche bangt gemäss dem Zeitungsbericht. Ein erneuter Flop der Rentenreform wäre nicht zuletzt für sie ein schlimmes Szenario. Immerhin würde es die private Altersvorsorge in der zweiten Säule infrage stellen und ein wichtiges Geschäftsfeld der Lebensversicherer gefährden.
Im Zentrum der Diskussionen in der Kommission steht der Umgang mit der sogenannten Schuldenbremse. Diese war gemäss der «BaZ» ausschlaggebend dafür, dass sich im Januar auch der Gewerbeverband in die Allianz mit Economisuisse und Arbeitgeberverband für die Rentenreform einbinden liess.
Die Schuldenbremse soll verhindern, dass eine politische Pattsituation dazu führt, dass der AHV-Fonds unter eine kritische Schwelle sinkt. Die Schuldenbremse stellt darum auf einen automatischen Mechanismus ab. Damit erhöhte sich das Rentenalter jeweils, wenn die Kapitallücke des Fonds beispielsweise 20 Prozent einer Jahresausgabe übersteigt.
Eingebracht hat die Schuldenbremse der Zuger FDP-Nationalrat Bruno Pezzatti. Vor fast zwei Wochen bestätigte er erstmals gegenüber BLICK, dass sein Konzept deutlich weitergeht als die blosse Erhöhung des Rentenalters auf 67. «Sollte die finanzielle Situation des AHV-Fonds trotz der Mehrwertsteuer- und Rentenaltererhöhung kritisch bleiben, würde der Automatismus erneut in Kraft treten», bestätigt er. Und wieder, und wieder und wieder.
«Spiel mit dem Feuer»
Gemäss «BaZ» berät die Kommission zwei Varianten einer solchen Schuldenbremse. Die eine besteht aus einer Kombination zwischen Erhöhung des Rentenalters und einer Zusatzfinanzierung über die AHV. In der anderen Variante würde die Anpassung allein über die Erhöhung des Rentenalters erfolgen, so wie es Pezzatti skizziert hatte.
Nicht namentlich genannte Kommissionsmitglieder sollen laut der Zeitung von einem «Spiel mit dem Feuer» sprechen. Denn sie wüssten, dass eine substanzielle Erhöhung des Rentenalters über 65 Jahre in der Bevölkerung ein Tabuthema darstelle.
Die politische Mitte-Parteien möchten Diskussion über die AHV-Schuldenbremse erst nach einer erfolgreichen ersten Rentenreform durchführen, um das Fuder nicht zu überladen. Während die Wirtschaftsverbände und ihre politischen Vertreter offenbar mit der Frage ringen, welche der beiden Interventionsvarianten in die Vorlage für den Nationalrat einfliessen soll. (eis)