Heikles Auslieferungsgesuch aus Spanien
Sommaruga im Folter-Dilemma

Spanien verlangt die Auslieferung einer baskischen Politikerin. Für die Schweiz eine Wahl zwischen Pest und Cholera, denn die Frau erhebt Foltervorwürfe an Madrid.
Publiziert: 10.06.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 16:05 Uhr
Bundesrätin Simonetta Sommaruga muss eine heikle Entscheidung treffen.
Foto: Valeriano Di Domenico
Matthias Halbeis, Sermîn Faki

Hat Justizministerin Simonetta Sommaruga bald ein ähnliches Problem wie ihre Vorgängerin Eveline Widmer-Schlumpf nach der Verhaftung von Regisseur Roman Polanski? Eine Forderung der spanischen Behörden stürzt das Bundesamt für Justiz (BJ) und damit auch Sommaruga in ein heikles Dilemma.

Nekane Txapartegi.
Foto: GUARDIA CIVIL

Madrid verlangt die Auslieferung der Baskin Nekane Txapartegi (43), die 2009 wegen Unterstützung der baskischen Untergrundorganisation ETA zu sechs Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt wurde. Die ehemalige Lokalpolitikerin soll Ausweise beschafft und andere Aufträge für die ETA ausgeführt haben.

Txapartegi war vor sieben Jahren in die Schweiz geflohen, wo sie als Sans-Papier unter anderem Namen lebte. Nachdem Spanien 2012 einen internationalen Haftbefehl ausgestellt hatte, wurde sie Anfang April in Zürich-Kloten verhaftet und sitzt seitdem in Auslieferungshaft. Ihr Zustand sei schlecht, sagen ihre Anwälte.

Vergewaltigt und brutal verprügelt

Txapartegi wehrt sich gegen die Auslieferung. Das Geständnis, das zu ihrer Verurteilung führte, sei unter Folter erpresst worden. Die ehemalige Stadträtin aus der Kleinstadt Asteasu sagt, sie sei nach ihrer Festnahme im März 1999 während fünf Tagen in Isolationshaft gefoltert worden. Im Hauptquartier der Guardia Civil in Madrid hätten sie Angehörige der paramilitärischen Einheit mit einem Plastiksack fast erstickt, vergewaltigt und brutal verprügelt. Weiter hätten die Peiniger mit Elektroschocks und dem Tod gedroht und gar eine Scheinhinrichtung an ihr inszeniert.

Ärztin bestätigt Vorwürfe

Verschiedene Belege bestätigen diese Aussagen. Für ihre Vorwürfe spricht etwa ein Gutachten der spanischen Gefängnisärztin, die sie nach der Isolationshaft untersucht hatte: Die Medizinerin stellte fest, dass mehrere Verletzungen mit den Vorwürfen übereinstimmten.
Für ihre Anwälte ist klar, dass Txapartegi nicht ausgeliefert werden kann. Anti-Folterkonvention und Europäische Menschenrechtskonvention verböten eine Auslieferung, wenn sich das Gesuch auf Aussagen stützt, die durch Folter erlangt wurden.

Asylgesuch eingereicht

Sommaruga hat also ein gewaltiges Problem: Entweder gibt sie dem Auslieferungsgesuch statt und riskiert eine Verurteilung der Schweiz wegen Verletzung der Anti-Folterkonvention, oder sie weist das Gesuch ab und erklärt ein EU-Mitglied indirekt zum Folterstaat.

Um die Sicherheit ihrer Mandantin vor einer Auslieferung zu erhöhen, haben ihre Anwälte zudem ein Asylgesuch gestellt. 

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