Und weg ist er: Yanis Varoufakis (54) gab gestern überraschend seinen Rücktritt bekannt – obwohl der griechische Finanzminister erst seit dem 27. Januar 2015 im Amt war und am Sonntag die Abstimmung gewonnen hatte.
Aus Athen heisst es, Varoufakis sei zum Rücktritt gezwungen worden, um weitere Verhandlungen mit den Geldgebern nicht zu gefährden. Das sieht Harris Dellas (57), Wirtschaftsprofessor an der Uni Bern, anders: «Varoufakis ist clever. Er ist rechtzeitig abgesprungen, bevor es in Griechenland zum grossen Knall kommt.»
Die Nachfolge übernimmt der stellvertretende Aussenminister Evklidis Tsakalotos (55). Der neue Finanzminister wuchs in England auf, wo er die teuerste Privatschule besuchte und an der Universität Oxford Wirtschaft studierte. Er lebt erst seit den 90er-Jahren in Griechenland und spricht die Sprache mit englischem Akzent.
Tsakalotos ist charakterlich genau das Gegenteil des ungehobelten Varoufakis: Still und diplomatisch. Gemeinsam ist den beiden aber das betont legere Auftreten: Roter Rucksack und offenes Hemd ohne Krawatte. «Sie wollen frisch wirken und sich von den bisherigen Ministern unterscheiden», sagt Dellas. «Das ist aber alles nur Marketing.»
Am künftigen Kurs wird laut Dellas auch der Wechsel an der Spitze des Finanzministeriums nichts ändern.
Für den Professor ist klar, dass Griechenland nur überleben kann, wenn es die Forderungen der EU umsetzt und so weitere Geldspritzen erhält. Professor Dellas: «Die EU verlangt nichts Verrücktes. Lediglich, dass Griechenland ein normales Land wird.»
Er befürchtet aber, dass das weder die Regierung noch das Volk verstehen – und es schliesslich zum Austritt aus der Euro-Zone kommen wird. Dellas, der seit 17 Jahren in der Schweiz lebt, ist auf die Regierung in seiner Heimat nicht gut zu sprechen: «Die Minister sind Hochstapler und Lügner.» Sie lebten in einer Traumwelt und hätten es dummerweise geschafft, die griechische Bevölkerung von diesem Märchen zu überzeugen.
Um seinen Landsleuten zu helfen, ruft Harris Dellas die Schweiz auf, Medikamente und Lebensmittel zu spenden. Vor einer politischen Vermittlung zwischen Griechenland und der EU rät er dringend ab: «Die Schweiz ist zwar eine hervorragende Vermittlerin, aber auf die griechische Regierung ist kein Verlass.»
Das Volks-Nein zum Referendum am Sonntag hat in Europa Hektik ausgelöst. Gestern beriet die Europäische Zentralbank über Notkredite, heute kommt es am Abend zu einem Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs.
In Griechenland bleiben alle Banken bis mindestens am Mittwoch geschlossen. Touristen sollten reichlich Bargeld mitnehmen.