Glarner will zum Weichspüler werden - aber glaubt ihm das jemand?
Tollhaus SVP

Blocher persönlich pfiff «Stacheldraht»-Glarner diese Woche zurück. Der neue SVP-Asylchef macht sich über die Kritik lustig. Während Parteipräsident Rösti ihn ermahnt, bekommt er von Parteikollegen Unterstützung für seine Brachialrhetorik.
Publiziert: 08.05.2016 um 17:02 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 11:18 Uhr
Marcel Odermatt und Simon Marti

Wegen ihm geriet die Partei in Aufruhr: BLICK trifft am Freitagmorgen einen tiefenentspannten SVP-Nationalrat Andreas Glarner (53) in seiner Firma in Oberwil-Lieli AG. «Ich wurde gedeckelt», grinst Glarner. Und zwar von höchster Stelle: Nachdem der frisch gekürte Asyl-Chef der Volkspartei Anfang Woche im «Tages-Anzeiger» fabulierte, die Schweiz müsse sich mit «Stacheldraht abriegeln», griff die Führungsriege ein.

Recherchen zeigen: Christoph Blocher (75), alt Bundesrat und graue Eminenz der Rechtspartei, intervenierte persönlich bei Parteipräsident Albert Rösti (48). Blocher machte klar, der Parteichef müsse Hardliner Glarner zurückpfeifen. So geschah es: Wenige Stunden nach Glarners Stacheldraht-Polemik verschickte Martin Baltisser (46), der abtretende Generalsekretär der SVP und baldige Chef von Blochers Firma Robinvest, an sämtliche Mitglieder der Bundeshausfraktion ein E-Mail.

SVP-Nationalrat Andreas Glarner nach dem Rüffel der Parteileitung: «Ich trinke jetzt jeden Tag Weichspüler».
Foto: Siggi Bucher

Die Nachricht ist eine genaue Sprachregelung im Umgang mit der Presse. «Die Schweiz kann ihre Grenze nicht mit einem Stacheldrahtzaun abriegeln», heisst es darin. Glarner stand im Abseits. Der nimmt es betont gelassen. «Ich trinke jetzt jeden Tag Weichspüler», witzelt er.

Einfach weglächeln lassen sich die Verwerfungen in der SVP allerdings nicht. Der Fall passt zum aktuellen Tollhaus Volkspartei. Nach dem grotesken Nazi-Vergleich Blochers und dem Streit zwischen Bundesrätin Simonetta Sommaruga (55) und Roger Köppel (51) sorgt der Fall Glarner erneut für negative Schlagzeilen.

Mirgrationsexperte Heinz Brand.
Foto: KEYSTONE/PETER KLAUNZER

Der Aargauer war bei der Umstrukturierung der Partei Anfang Jahr lediglich zweite Wahl. Die Partei­spitze um Blocher wollte dem Bündner Nationalrat und Mirgrationsexperten Heinz Brand (60) das Asyl-Dossier anvertrauen. Doch Brand sagte ab. Zu tief sitzt sein Ärger, dass er im vergangenen Herbst nicht, wie allgemein erwartet, als Bundesratskandidat nominiert worden ist. So kam Glarner, der sich in Bern eigentlich als Finanzpolitiker einen Namen machen wollte, zum Handkuss.

Rösti bestätigt: «Aus Gründen der Seniorität hat die Parteileitung zuerst Heinz Brand angefragt.» In Richtung Glarner hält Rösti fest: Er erwarte von allen Parteimitgliedern, dass sie sich an die Beschlüsse der Parteileitung halten. «Sololäufe dienen niemandem», sagt der SVP-Chef.

Verrat an den SVP-Wählern?

Viele in der Partei fragen sich jetzt: Kann Glarner sich wirklich mässigen? Will er das überhaupt? Als Kantonspolitiker dachte er nie daran, einen Gang zurückzuschalten. Gleichzeitig kommen seine Worte bei der Basis an. Prominente SVPler verstehen daher nicht, dass man mit Glarner stellvertretend das Parteifussvolk vor den Kopf stösst.

Der Aargauer SVP-Nationalrat Luzi Stamm.
Foto: Keystone/ALESSANDRO DELLA VALLE

Nationalrat Luzi Stamm (63, AG) sagt etwa: « Die Parteileitung darf keinesfalls von einem strikten Kurs in der Asylfrage abweichen.» Dass die SVP auf eine Kampagne für ihr Referendum verzichte, schaffe Unsicherheit.

Die Zurückhaltung der SVP hängt wohl auch mit der angestrebten bürger­lichen Zusammenarbeit mit FDP und CVP zusammen. Und diese Zusammenarbeit sei tatsächlich wichtig, so Stamm. «Aber wenn die SVP beim zentralen Problem ‹unkontrollierte Zuwanderung› Kompromisse macht, fühlen sich unsere Wähler zu Recht verraten.»

Glarner will zum Softie werden. Aber glaubt ihm das jemand?
Foto: Siggi Bucher
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