Gewerkschafter Pardini über Franken-Krise
Darf mir der Chef jetzt den Lohn kürzen?

Der Arbeitgeber-Verband denkt wegen der Mindestkurs-Aufhebung über Lohnkürzungen nach. SP-Nationalrat und Gewerkschafter Corrado Pardini (BE) fordert stattdessen einen neuen Pakt zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
Publiziert: 19.01.2015 um 11:33 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 23:51 Uhr
Interview: Ruedi Studer

Arbeitgeber-Direktor Roland A. Müller stellt wegen der Aufhebung des Mindestkurses Lohnkürzungen zur Debatte. Können die Bosse nun einfach die Löhne kürzen?

Nein, sicher nicht! Durch die Gesamtarbeitsverträge sind die Löhne geschützt. Und die Gewerkschaften werden sich mit aller Kraft gegen Lohnkürzungen wehren – auch dort, wo es keinen GAV gibt! Lohnkürzungen sind ökonomisch grundfalsch, denn damit würde die Inlandnachfrage geschwächt. Diese ist einer der wichtigsten volkswirtschaftlichen Pfeiler, die uns zu Wohlstand führt.

Lohnkürzungen wären doch nicht so schlimm, wenn nun auch die Preise purzeln.

Die Löhne müssen sich nach der Produktivität richten und nicht nach den Tomatenpreisen. Alles andere wäre ökonomischer Unsinn.

Die Lohnverhandlungen werden dieses Jahr aber härter?

Bestimmt. Wir brauchen nun aber keine Konfrontation zwischen den Sozialpartnern. Und erst recht keine Arbeitgeber, welche die Situation ausnützen und auf dem Rücken der Arbeitnehmer austragen wollen.

Sondern?

Es braucht einen neuen Pakt zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zur Stabilisierung der Wirtschaft. Wir müssen die Auswirkungen und die drohenden, negativen Folgen der Masseneinwanderungs-Initiative und nun der Mindestkurs-Aufhebung meistern. Und zwar gemeinsam!

Eben, da könnten Lohnkürzungen oder längere Arbeitszeiten ein Beitrag der Arbeitnehmer sein.

Nein, es braucht einen intelligenten Pakt – mit drei Stossrichtungen.

Nämlich?

Erstens braucht es ein klares Bekenntnis der Arbeitgeber zur Sozialpartnerschaft und gerechten Löhnen. Konkret: Schweizer Arbeit zu Schweizer Löhnen.  Zweitens muss die Politik besonders stark betroffenen Unternehmen im Bereich Export und Tourismus Stützungsmassnahmen bieten. Gerade in der Exportbranche müssen wir Auslagerungen verhindern.

Und drittens?

Wir müssen die Chance nutzen und in den sozial-ökologischen Umbau investieren sowie die Herausforderung der bevorstehenden digitalen Revolution vorantreiben. Es braucht Investitionen in Forschung und Entwicklung, in Arbeitsplätze und Produkte mit hoher Wertschöpfung. Mit dieser Strategie meistern wir die Krise.

Ein Thema sind aktuell die Grenzgänger: Die haben auf einen Schlag 20 Prozent mehr Lohn – die Schweizer nicht. Das birgt doch sozialpolitischen Sprengstoff!

Klar könnte da ein gewisser Neid entstehen. Aber eine Neiddebatte zwischen einheimischen Arbeitskräften und Grenzgängern ist völlig fehl am Platz.

Aber eine Lohnsenkung oder Euro-Löhne für Grenzgänger wären doch eine Option.

Eurolöhne für Grenzgänger sind ein Humbug und würden zum Bumerang für einheimische Arbeitnehmer. Könnten die Firmen die Löhne nur für die Grenzgänger senken, würden die Einheimischen  nach und nach auf die Strasse gestellt und durch Grenzgänger ersetzt. Schweizer Löhne für alle sind der beste Job-Schutz für einheimische Arbeitnehmer!

Im Moment pendelt der Euro-Kurs um einen Franken. Wo muss er mittelfristig hin?

Ich hoffe schwer, dass er mindestens wieder über 1.10 Franken kommt. Bleibt er darunter, haben wir tatsächlich ein Problem. Wir müssen nun abwarten, wie es in zwei, drei Wochen aussieht. Denn im Moment sind die Spekulanten am Werk. Bleibt er aber tief, müssen Politik und Nationalbank intervenieren.

Braucht es eine Rückkehr zu Mindestkurs?

Die Nationalbank versucht es nun mit Negativzinsen. Wenn das nichts bringt, schliesse ich mittelfristig nichts aus – auch eine Rückkehr zum Mindestkurs nicht.

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