Gewerbeverbands-Direktor Hans-Ulrich Bigler kämpft gegen die Flüchtlingslehre
«Sommaruga schiebt der Wirtschaft den Schwarzen Peter zu»

Bundesrätin Simonetta Sommaruga verlangt von der Wirtschaft, dass mehr Flüchtlinge einen Job finden – und lancierte deshalb die Flüchtlingslehre. Gewerbeverbands-Direktor Hans-Ulrich Bigler wehrt sich im BLICK-Interview: «Was bisher an Zählbarem umgesetzt wird, hat die Wirtschaft angestossen. Und nicht Frau Sommaruga mit ihren Konzeptpapieren.»
Publiziert: 04.03.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 14:45 Uhr
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Hans-Ulrich Bigler: Der Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands sieht den guten Ruf der dualen Berufsbildung in Gefahr.
Foto: Philipp Zinniker
Interview: Nico Menzato

Herr Bigler, Bundesrätin Sommaruga wirft der Wirtschaft vor, zu wenig Jobs für Flüchtlinge anzubieten. Wieso engagieren Sie sich nicht stärker?

Hans-Ulrich Bigler: Diese Kritik ist völlig verfehlt. Frau Sommaruga weiss offenbar nicht, was in der Wirtschaft geht. Was in der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt bisher an Zählbarem umgesetzt wird, hat die Wirtschaft angestossen. Und nicht Frau Sommaruga mit ihren Konzeptpapieren.

Selbst nach vielen Jahren in der Schweiz bezieht die Mehrheit der anerkannten Flüchtlinge Sozialhilfe. Das bisherige Engagement reicht offensichtlich nicht.

Die Wirtschaft tut schon viel – und dies seit Jahren. Mit den Projekten «Perspektive Bau» und «Deutsch auf der Baustelle» trägt der Baumeisterverband zur Integration ausländischer Arbeitskräfte bei. 2015 haben 850 Arbeitnehmende an den Deutschkursen teilgenommen. Auch das Gastgewerbe hilft mit. Etwa mit dem Projekt Riesco. Rund 300 Flüchtlinge haben in neun Jahren ihr Zertifikat erhalten. 

Der Bund wird nun selber aktiv und hat im Winter das Pilotprojekt der Flüchtlingslehre gestartet. Eine gute Idee?

Die Forderung nach einer sogenannten «Flüchtlingslehre» ist eine direkte Schwächung der dualen Berufsbildung. Heute ist die Lehre im dualen Bildungssystem anerkannt. Die Flüchtlingslehre macht diese Bemühungen zunichte. Der Titel suggeriert Kompetenzen, die die Absolventen nach dem Einjahres-Schnellkurs nicht haben können. Das ist richtiggehend imageschädigend und despektierlich gegenüber den hohen Standards der dualen Berufsbildung. Ein einjähriges Flüchtlings-Studium würde auch niemand ernsthaft lancieren.

Eine Mini-Ausbildung für Flüchtlinge – das ist doch besser als nichts?

Sie weckt vor allem falsche Hoffnungen bei den Flüchtlingen. Weil die Wirtschaft Personen, die allein eine Schnellbleiche durchlaufen haben, nicht aufnehmen kann. Das klappt nur, wenn etablierte Ausbildungen wie etwa die zweijährige Attestlehre auch von Flüchtlingen genutzt werden. Entsprechende Ausbildungsplätze gibt es. Der Bund soll besser die bestehenden und von der Wirtschaft getragenen Strukturen stärken. Ergänzend kann er – wie von uns vorgeschlagen – Projekte finanzieren, damit zuerst abgeklärt werden kann, welche Fähigkeiten und Eignungen Flüchtlinge haben. Ob sie überhaupt arbeitsmarktfähig sind – und in welchen Branchen.

Europa erlebt eine beispiellose Flüchtlingskrise. Es braucht mehr Engagement von allen. Auch von Seiten der Wirtschaft.

Einverstanden und die Wirtschaft leistet ihren Teil. Aber die Wirtschaft kann nicht alleine in die Bresche springen, um die steigenden Sozialhilfeausgaben des Bundes bei Flüchtlingen einzudämmen. Es ist bedauerlich, dass Sommaruga, die das Flüchtlingsproblem offenbar nicht im Griff hat, jetzt einfach den Spiess umdreht und uns den Schwarzen Peter zuschiebt. Sie sollte besser mit der Wirtschaft anstatt gegen sie arbeiten.

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