Der Tessiner Lega-Staatsrat Norman Gobbi schaffte es am Freitag locker auf das Bundesratskandidaten-Ticket der SVP. Kein Wunder, denn Gobbi politisiert in der Europa-, Migrations- oder Asylfragen voll auf der harten Linie der SVP.
In der Sozialpolitik tickt Gobbis Lega allerdings viel linker als die SVP. Doch in der Anhörung marschierte Gobbi diesbezüglich brav rechts! «Ich habe ihn direkt gefragt, wo er in sozialpolitischen Fragen stehe», sagt Noch-SVP-Nationalrat Toni Bortoluzzi. «Seine Antwort: In der Sozialpolitik politisiere er nicht auf Lega-, sondern voll und ganz auf SVP-Linie.» Auch andere SVPler bestätigen, der Tessiner habe jegliche Zweifel an seinem sozialpolitischen Kurs zu zerstreuen versucht.
Für öffentliche Krankenkasse und gegen höheres Rentenalter
Nur, eine Smartvote-Befragung zu den Tessiner Staatsratswahlen vom letzten April zeichnet ein anderes Bild. Auf die Frage, ob sich der Kanton Tessin für die Schaffung einer öffentlichen interkantonalen Krankenkasse einsetzen soll, antwortet Gobbi mit «eher ja».
Auch eine Erhöhung der AHV/IV-Ergänzungsleistungen befürwortet er mit «eher ja». Ebenso, dass der Kanton mehr investieren müsse für die Schaffung von Wohnraum zu moderaten Preisen. Eine Erhöhung des Rentenalters – etwa auf 67 – lehnt Gobbi mit einem klaren «Nein» ab. Allgemein findet er aber, dass der Kanton «mehr» Geld für die soziale Vorsorge ausgeben sollte.
Nicht nur Bortoluzzi, auch SVP-Nationalrat Sebastian Frehner wundert sich: «Das entspricht nicht der liberalen Linie, die er in der Fraktion präsentiert hat.» Er werde ihn nochmals darauf ansprechen müssen, «wie er es mit solch sozialistischen Rezepten denn nun wirklich hält», so Frehner.
Gobbi ist auf Bundeseben rechter als im Tessin
Gobbi windet sich: «Sie sprechen zum Teil kantonal und zum Teil eidgenössische Themenfelder in der Sozialpolitik an. Das Umfeld und die Bedingungen sind im Tessin nicht vergleichbar mit der Bundesebene», schreibt er BLICK.
Als Föderalist sei er der Überzeugung, dass nur, was nicht auf unterer Stufe gelöst werden könne, von der nächsten höheren Stufe gelöst werden solle. «Der Reformbedarf in der Sozialpolitik auf Bundesebene ist unbestritten», so Gobbi. «Es geht darum, in der Sozialpolitik einen Mittelweg zwischen Solidarität und Eigenverantwortung zu finden.» Die strukturelle Problemen müssten behoben werden, so Gobbi. Und: «Der Ausgleich und die Solidarität zwischen Alt und Jung sind zwingend und richtig.»
Bezüglich Krankenkasse meint Gobbi, das Volk habe sich erst kürzlich gegen eine entsprechende Initiative ausgesprochen. «Der Volkswille muss berücksichtigt werden, das gehört zu meinen Werten. Smartvote-Profile hin oder her.»
Bortoluzzi gegen Lega-Bundesrat
Für Bortoluzzi ist derweil klar: «Ein Lega-Bundesrat bedeutet sicher keinen Abbau und nicht mal eine Stabilisierung des Sozialstaats, sondern einen Ausbau. Auch ein Bundesrat Gobbi würde mehr Staat bedeuten.» Von daher erachtet er ihn schlichtweg als «nicht wählbar».