Sondermüll ist teuer. Für die Entsorgung radioaktiver Rückstände aus Medizin, Forschung und Industrie in den nächsten Jahrzehnten beispielsweise rechnete der Bundesrat mit 300 Millionen Franken. Am Mittwoch gab er bekannt: Es kostet 1,1 Milliarden mehr!
Für die Entsorgung radioaktiver Rückstände aus AKW und deren Rückbau nach der Stilllegung prognostiziert der Geologe Marcos Buser (65) einen weitaus grösseren Schock.
Zurzeit gehen die Betreiber von 20,6 Milliarden Franken aus. «Das wird nie reichen», sagt Buser. Er rechnet mit viel höheren Beträgen. «Am Ende wird uns die Entsorgung 100 Milliarden kosten.»
Sind 100 Milliarden nicht zu hoch gegriffen? «Nein! Das ist sogar noch zurückhaltend. Wir sehen das ja gut beim Medizinmüll. Der Bund rechnet heute mit vier bis fünf Mal höheren Kosten als zu Beginn.» Buser, der Bund und AKW-Betreiber jahrelang beriet, arbeitet heute als unabhängiger Experte.
Er warnt vor einem «finanziellen Debakel»: «In den 70er-Jahren sprach man noch von zwei bis drei Milliarden. Bereits heute sind wir beim Zehnfachen.» Buser: «Wir brauchen endlich ehrliche Berechnungen. Die offiziellen Zahlen gehen von einem optimalen Ablauf aus, obwohl nicht einmal klar ist, ob die Verpackung der Abfälle wirklich funktioniert. Es gibt schlicht zu viele Unsicherheiten.» Zudem rechneten die Betreiber noch mit einer AKW-Laufzeit von 50 Jahren. «Eine längere Laufzeit bedeutet mehr Abfall, längere Zwischenlagerung und viel mehr Unsicherheiten. Das treibt die Kosten zusätzlich in die Höhe.»
Alle fünf Jahre berechnen die AKW-Betreiber die Kosten neu. Folgt mit der neusten Studie im nächsten Jahr die grosse Überraschung? Die Entsorgungsbehörde Nagra streitet mögliche Zusatzkosten zwar nicht ab, derart hohe Kostensteigerungen aber könnten «aus heutiger Sicht ausgeschlossen werden».
Wer zahlt, wenn die Entsorgung trotzdem teurer wird? Einen Teil tragen die Konsumenten mit 0,9 Rappen pro Kilowattstunde Atomstrom, einen Teil die Betreiber. Nachdem die eidgenössische Finanzkontrolle 2014 feststellte, dass das Geld nicht reicht, verordnete der Bundesrat höhere Beiträge. Die Stromkonzerne Axpo und BKW haben den Entscheid aber angefochten.
Wenn weder Betreiber noch Konsumenten mehr einzahlen, bleibt am Ende nur der Staat. Linke Politiker wie Max Chopard (48) und Regula Rytz (53) warnen davor. Rytz will nun Klarheit. Sie will mit einer Interpellation vom Bundesrat wissen, mit welchen Kosten «im schlimmsten Fall» gerechnet werden muss.