BLICK: Herr Müller, die Linke hat gerade den 1. Mai gefeiert. Die Präsenz ihrer Themen gibt auch der Erbschaftssteuer Aufwind.
Philipp Müller: Ach, der Tag der Arbeit. Ich stamme selbst aus einer SP-Familie und der Feiertag hatte lange seine Berechtigung. Die Erinnerung an die Arbeiterbewegung in Ehren, aber heute ist das Ganze entartet. Die autonome Linke macht Krawall und die etablierte nutzt ihn, um den sozialpolitischen Teufel an die Wand zu malen. Die Schweiz ist das sozialste Land in Europa!
Das behaupten Sie. Mit der Erbschaftssteuer-Initiative soll sie etwas gerechter werden. Sogar schwerreiche Erben unterstützen das Anliegen!
Was die Gebrüder Meili da abgeliefert haben, ist der Gipfel der Verlogenheit. Die Herren haben selbst Steuern optimiert, indem sie 2011 noch rasch vor dem Inkrafttreten der Rückwirkung ein Haus überschrieben haben. Es ist doch widerlich, wie sie sich nun als Gutmenschen darzustellen versuchen. Wenn die Initiative angenommen wird, dann haben die Steuerzahler ihre Kampagne finanziert.
Die Meilis haben dasselbe getan wie viele Ihrer Wähler.
Das hat doch nichts mit dem Parteibuch zu tun. Mich hat schon damals gestört, dass viele Reiche aus Angst vor der Rückwirkung sofort zum Notar gerannt sind. Es braucht mehr Vertrauen in den Souverän, dass er solche Projekte bachab schickt. Die Initiative ist fehlerhaft formuliert und gefährlich.
SP-Chef Levrat und die Meili-Brüder sprechen von Freibeträgen von 50 Millionen Franken und mehr. Es ist absurd, zu behaupten, die Initiative sei ein «KMU-Killer».
Weder die Meilis noch der Präsident der Sozialdemokraten entscheiden über die Umsetzung, sondern ...
... das Parlament. Und dieses wird auch nach den Wahlen noch sehr bürgerlich sein.
Das hoffen wir. Aber das Problem ist doch: Wenn wir einen absurd hohen Freibetrag zu einem absurd tiefen Steuersatz ins Gesetz schreiben, dann brechen den Kantonen die von den Initianten prognostizierten Einnahmen weg. Weil die Linke gleich auch noch die AHV aufpäppeln will, würde die Gesamtsteuerbelastung trotzdem deutlich ansteigen.
Erst sagen Sie, kleine Unternehmen gingen ein und nun mäkeln Sie, wenn diese geschont werden. Das ist doppelzüngig!
Nein, das ist der Konstruktionsfehler der Initiative. Das haben die Initianten nun gemerkt und geben allenthalben Versprechungen von sich. Ihnen muss aber klar werden: Sobald die Kantone um ihr Geld fürchten, gehen Sie auf die Hinterbeine. Dann geraten vor allem die Ständeräte in Teufels Küche, und das Parteibuch ist plötzlich nicht mehr das Wichtigste. Es bleibt nur die Wahl zwischen Regen und Traufe: Entweder werden Nachfolgeregelungen erschwert bis verunmöglicht, oder ansonsten werden die Kantone geschädigt. Das Groteske daran ist, dass die Steuerbelastung so oder so steigen würde.
Wie wollen Sie das verhindern?
Den Lead hat die CVP, aber wir wollen eine eigene Kampagne machen. Die startet bald. Wir suchen noch Spender und planen Plakate und Testimonials. Je nachdem müssen wir uns überlegen, schon das Wahlkampfbudget anzuzapfen.
Es geht Ihnen nur darum, ein Stück des Skalps zu sichern, falls die Initiative abgelehnt wird.
Die Wahlen sind erst im Herbst. Wir dürfen den Abstimmungskampf jetzt nicht auf die leichte Schulter nehmen. Aber ja, ich bin überzeugt, dass wir gewinnen werden.