Frank A. Meyer
Radikal bürgerlich

Publiziert: 05.06.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 09:00 Uhr
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Frank A. MeyerPublizist

Gerhard Pfister, Präsident der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP), macht sich Sorgen über die Auswirkungen der Migration. In einem BLICK-Interview formulierte er: «Mich beschäftigt das Verhältnis von Islamismus und Rechtsstaat. Seit einigen Jahren ist der Westen konfrontiert mit Menschen und Gruppierungen, die unser Wertesystem fundamental in Frage stellen. Nehmen Sie die Handschlag-Affäre: Jungen wurde erlaubt, im Namen der Religion der Lehrerin den Handschlag zu verweigern. Das ist inakzeptabel.»

Gerhard Pfisters Worte sind ein Anfang: Erstmals – oder endlich – nimmt sich eine bürgerliche Partei der Islamfrage an. Bisher war das Thema der SVP überlassen. Vor allem die Sozialdemokraten liessen sich nicht dazu herbei, dem Erbe der Aufklärung, also Freiheit und Gleichheit, auch gegenüber der islamischen Einwanderung Geltung zu verschaffen. Im Gegenteil, die historische Freiheitspartei predigt Kapitulation vor dem Koranglauben; die historische Gleichheitspartei gibt die Rechte der Frauen preis, sobald es um Schleier und Kopftuch geht.

In ganz Europa hat die Linke, zuvorderst die bürgerliche Sozialdemokratie, vor der Ideologie einer religiös ummäntelten Männerherrschaft abgedankt – und den Kampf für die Frauenrechte, die Religionsfreiheit und den strikt säkularen Staat der äusseren Rechten überlassen.

Ja, linke Politik und Publizistik haben den Rechtspopulisten die Freiheitsfahne abgetreten. Die aber flattert jetzt, sichtbar für alle besorgten Bürgerinnen und Bürger, stolz im Aufwind der Le Pens überall auf dem Kontinent.

Will Gerhard Pfister in der Schweiz das Banner für die Bürgerlichen zurückerobern? Die Absicht hat er wohl. Allein, es fehlt ihm noch zweierlei: erstens der Mut, die Dinge beim richtigen Namen zu nennen; zweitens die Vorstellung, was denn die vom Islam herausgeforderte Gesellschaft ist und woher sie kommt.

Zum Ersten: Gerhard Pfister betrachtet ausschliesslich «den radikalen Islamismus» als problematisch für den demokratischen Rechtsstaat. Es ist aber der Islam an sich, der unverträglich ist mit dem westlichen Wertekanon. Es sei denn, er werde säkular definiert, wie es viele Muslime ja auch tun – und deshalb überhaupt kein Integrationsproblem darstellen, leben sie doch wie aufgeklärte Katholiken oder Juden oder Pro­testanten.

Die organisierten Moscheegläubigen dagegen lösen sich nicht aus dem Herrschaftskontext ihrer Religion, die den Anspruch erhebt, sowohl den einzelnen Gläubigen wie die ganze Gesellschaft zu beherrschen. Da-raus resultiert die «Parallelgesellschaft», die ihren Ausdruck findet in Integrationsverweigerung und Beharren beispielweise auf Unterordnung der muslimischen Frau, deren geradezu rassistische Segregation sich ausdrückt in Schleier- und Kopftuchzwang oder der Verweigerung des Handschlags.

Der Islam ist nicht die Religion von nebenan, die leider, leider durch «radikale Islamisten» in Verruf gebracht wird, im Übrigen aber als politisch und kulturell harmlos eingestuft werden darf. Nein, der Islam ist ein Weltproblem, weil unvereinbar mit der Moderne, was ihn auflädt mit Abneigung und Abwehr gegenüber dieser Gegenwart. Der Islam ist für sich selbst das grösste Problem, was ihn zur Kompensation durch Hochmut und Aggressivität verführt.

Zum Zweiten: Gerhard Pfister erklärt, die Schweiz sei «ein christliches Land», was bedeute, dass jedermann, der in diesem Land lebe, lernen müsse, «diese christlichen Werte anzuerkennen». So ist es nun aber nicht. Die Schweiz ist ein säkularer demokratischer Rechtsstaat auf, im Wortsinne, freisinniger Basis – einer Grundlage, welche aus Aufklärung und bürger­licher Revolution resultiert.

Freilich trifft zu, dass der Werte­kanon des Westens aus der jüdisch-christlichen Kultur hervorgegangen ist, die ihren emanzipatorischen Aufbruch vor 500 Jahren durch die Reformation erfuhr.

Freiheit und Gleichheit haben sich, wie die Geschichte zeigt, nur im abendländischen Kulturkreis durchgesetzt!

Der Rechtskultur der offenen westlichen Gesellschaft gilt es im Migrantenmilieu Geltung zu verschaffen, vorab in den Moscheen, wo zuhauf Imame predigen, die schleunigst aus dem Land zu jagen wären.

Wer in die Schweiz kommt, tritt in einen demokratischen Rechtsraum ein. Und der gilt. Vom ersten Moment an. Er gilt sogar bis in die Familie hinein, wo es keinem Patriarchen erlaubt ist, Frau und Töchter nach Koran- oder Scharia-Regeln zu drangsalieren.

Es bedarf der bürgerlichen Militanz – nicht der religiösen –, um diese Selbstverständlichkeit durchzusetzen. Dem Christdemokraten Gerhard Pfister sei ein Zitat von Martin Rhonheimer mitgegeben, Priester und Professor für Ethik und politische Philosophie an der päpstlichen Universität Santa Croce in Rom:

«Die religiöse Substanz des Islam schliesst nicht nur den Koran ein, sondern auch seine ursprüngliche Interpretation durch Mohammed und seine unmittelbaren Nachfolger, das heisst, das Modell von Medina, sowie die da­raus entsprungene Scharia, das religiöse islamische Recht, das sämtliche Lebensbereiche ordnet und den Islam als ein umfassendes politisch-religiöses Herrschafts- und Sozialsystem definiert.»

Diesem islamischen Herrschaftsanspruch die Grenzen aufzuzeigen, ist nicht rechtspopulistisch. Es ist bürgerlich.

Radikal bürgerlich.

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