Es ist nur ein Satz von vielen, die Christoph Blocher in seinem an Sätzen so reichen politischen Leben abgesondert hat – der Satz der Sätze: «Der Kampf gegen die SVP vonseiten der Staatsmedien und von ‹Blick› bis zur NZZ hat mich in ihrer Radikalität an die Methoden der Nationalsozialisten den Juden gegenüber erinnert.»
Die Nationalsozialisten vertrieben die Juden zwischen 1933 und 1945 aus dem öffentlichen Leben, brachten sie um ihre Rechte, zwangen sie zum Tragen des Judensterns, deportierten sie in Konzentrationslager, trieben sie in die Gaskammern von Auschwitz. Sechs Millionen Juden aus ganz Europa wurden in den wenigen Jahren der Nazi-herrschaft ermordet.
Was ist angesichts der historischen Gegebenheiten zu Christoph Blochers Satz zu sagen? Unter dem Titel «Geschichtsvergessenheit» schreibt der Historiker Marc Tribelhorn in der NZZ:
«Richtig gelesen: Hier vergleicht einer einen guteidgenössisch-demokratischen Abstimmungskampf mit der Barbarei des Dritten Reiches. Die Stilisierung der populistischen SVP zu ‹Juden› und damit zu ‹Opfern› sowie der Medien und anderer Gegner zu ‹Nazischergen› ist so grotesk wie infam (...) Blocher ist jede Schein-Analogie aus der Geschichte recht, solange es seiner Politik dient (...) Dass für billige Propaganda der Holocaust, dieses singuläre Menschheitsverbrechen, verharmlost wird, ist keineswegs eine Lappalie – auch nicht in einem Land wie der Schweiz, das die Schrecken des 20. Jahrhunderts nur ‹sur le balcon› miterlebt hat.»
Damit wäre alles Nötige gesagt.
Eigentlich.
Doch was meint Christoph Blocher nun zu der Empörung, die ihm entgegenschlägt? Er sagt: «Die Kritik stösst ins Leere.» War von ihm eine andere Reaktion zu erwarten?
Das Wörtchen «Leere» in seiner Replik ist ein Schlüsselwort: Wer Christoph Blocher Fakten entgegenhält, wer ihn auf intellektuelle Redlich-keit verpflichten möchte, wer gar die Beachtung sittlicher Verhältnismässigkeit von ihm fordert – der «stösst ins Leere».
Da verrät einer etwas über sich. Über die Leere, die ihn erfüllt.
Es mangelt ihm an jenen Qualitäten, die gemeinhin politischer Ethik und politischem Anstand zugrunde liegen, sie überhaupt erst möglich machen: geistiger Kompass, historischer Horizont, die Fähigkeit zu Gewichtung und Einordnung – vielleicht mangelt es Christoph Blocher ja auch ganz einfach an der nötigen Intelligenz.
Würde ein intelligenter Mensch seine Widersacher in einem demokratischen Abstimmungskampf mit den nationalsozialistischen Judenmördern vergleichen? Würde sich ein intelligenter Politiker unserer Zeit in einer mit den Juden im Nazireich vergleichbaren Situation wähnen?
Christoph Blocher wird in den Medien gerne als Vordenker der SVP bezeichnet. Ist die Vermutung unstatthaft, dem Präzeptor der Rechtspopulisten fehle es schlicht an der intellektuellen Qualifikation zum Denker?
Andersherum wäre es ja noch bedenklicher: Dann hätte Christoph Blocher seinen unsäglichen Vergleich in geistiger Hochform angestellt, mit grandioser Luzidität. Wäre dem aber so, müsste man ihn der moralischen Verkommenheit bezichtigen – des blanken Zynismus.
Weil aber ein solch vernichtendes Urteil aufgrund dieses einen Zitats unangemessen wäre, bleibt hier nur die Schlussfolgerung: Die Zentralfigur der schweizerischen Rechten redet dumm daher – ein Schwätzer. Vielleicht war er das schon immer.
Ein Gimpel.