Hartnäckig hält sich das Bonmot: «Für eine Million mache ich aus einem Kartoffelsack einen Bundesrat.» Gesagt haben soll es der legendäre PR-Berater Rudolf Farner (1917–1984). Belegen lässt sich das nicht. Aber in diesem Satz offenbarte sich das Selbstbewusstsein des hartgesottenen Kalten Kriegers. Und der Stolz auf seinen Einfluss in Bundesbern.
Seine Erben bei der PR-Agentur Farner Consulting mischen noch heute tüchtig mit im Politbetrieb. Während die Affäre um den «kasachischen» Vorstoss der Berner Nationalrätin Christa Markwalder (39) das Schlaglicht auf die Einflüsterer in der Wandelhalle richtet, bereitet Farner den nächsten politischen Coup vor: Die PR-Profis arbeiten fleissig für ein Ja zur «Änderung der Verfassungsbestimmung zur Fortpflanzungsmedizin und Gentechnologie im Humanbereich».
Die Vorlage kommt am 14. Juni vors Volk. Diese soll die sogenannte Präimplantationsdiagnostik (PID) erlauben (siehe Box). Den Auftrag erhielt Farner von der Schweizerischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin (SGRM).
Vertrauliche Unterlagen, die SonntagsBlick vorliegen, zeigen, wie Farner die Abstimmung gewinnen will.
Das Papier vom März dieses Jahres entwirft einen detaillierten Aktionsplan: Auf jedes erdenkliche Argument der Gegner wird eine Antwort präsentiert. Als zentrale Botschaft werden «bessere Therapien für Betroffene, weniger Risiken für Mutter und Kind» definiert. Ein Team von Ghostwritern soll «Standpunktartikel, Leserbriefe etc. von Komiteemitgliedern» verfassen. Geplant sind Online-Auftritte auf «einschlägigen Eltern-, Kinderwunsch- und Gesundheitsportalen».
Unter dem Begriff «Wording» definieren die Farner-Leute eine exakte Sprachregelung für die Befürworter. «Fachchinesisch» sei zu vermeiden, «die Vorlage ist auch so komplex genug». Und: «Wir sprechen nicht von Embryo, sondern von entwickelter Eizelle».
PID-Gegner und CVP-Nationalrat Christian Lohr (53, TG) hegt den Verdacht, dass die Befürworter damit verhindern wollen, dass die Debatte menschelt. «Dass auf Begriffe wie Embryo verzichtet werden soll, schockiert mich», sagt Lohr. Diese «Versachlichung» der Diskussion verletze die menschliche Würde.
«Ansammlung von Zellen» statt Embryo
Andrea Frei (41), Beraterin bei Farner und Geschäftsführerin des Pro-Komitees, verteidigt die Strategie. Zwar könne man streng medizinisch fünf Tage nach der Befruchtung der Eizelle von Embryo sprechen, sagt sie. Was man aber sehe, sei «eine Ansammlung von Zellen». Es wäre falsch, so Frei, «wenn hier die Vorstellung eines Menschen mit entwickelten Körperteilen und Organen entsteht».
Nicht alle Mitglieder des Ja-Komitees halten sich daran. SP-Ständerätin Pascale Bruderer (37, AG) sprach an der Medienkonferenz der Befürworter am 16. April über die Präimplantationsdiagnostik. «Dabei wird der Embryo an Tag 3, bevor er der Frau übertragen wird, dahingehend untersucht, ob er schwere Erbkrankheiten in sich trägt oder nicht», erklärte Bruderer damals.
Genau so steht es in ihrem persönlichen Manuskript. In der offiziellen Medienmappe, abrufbar auf der Homepage des Ja-Komitees, wurde die Passage geändert. Dieselbe Stelle lautet nun: «Dabei wird die entwickelte Eizelle an Tag 5, bevor sie der Frau übertragen wird, dahingehend untersucht, ob die entwickelte Eizelle schwere Erbkrankheiten in sich trägt oder nicht.»
Bruderer hatte von dieser Änderung keine Kenntnis. Sie verlangt nun, dass ihr ursprüngliches Statement auf der Website aufgeschaltet wird, wie sie gegenüber SonntagsBlick bestätigt. Die Sozialdemokratin findet es falsch, bestimmte Begriffe vermeiden zu wollen.
SGRM-Präsident und Auftraggeber von Farner, Professor Christian De Geyter, praktiziert als Chefarzt und Abteilungsleiter an der Frauenklinik des Universitätsspitals Basel. Die SGRM habe PR-Profis ins Boot geholt, weil «wir Laien sind», wie er sagt. «Wir brauchen professionelle Unterstützung.» Die Kosten der Kampagne beliefen sich auf 200'000 bis 300'000 Franken, sagt De Geyter. Für die SGRM eine grosse Summe. «Wir haben keinen roten Heller mehr», sagt der Reproduktionsmediziner. Alle Mittel seien bereits in den Abstimmungskampf geflossen.
Vergiften die Gegner die Debatte?
Für Nationalrat und PID-Gegner Lohr ist klar, warum sich die Fortpflanzungsmediziner derart verausgaben. «Da stecken natürlich auch finanzielle Interessen dahinter.» Die Reproduktionsmedizin sei ein attraktiver Wachstumsmarkt, sagt der CVP-Nationalrat.
Das sei ein unfairer Vorwurf, meint Christian De Geyter. «Die Präimplantationsdiagnostik wird sich für die Ärzte nicht rentieren.» Es sei vielmehr das Nein-Lager, welches die Debatte vergifte. «Ich wurde schon als potenzieller Kindsmörder beschimpft.»
Die Gegner beschuldigten ihn und seine Mitstreiter, Designerbabys zu planen. «Das ist pure Demagogie», empört sich De Geyter. Die PID sei nur und ausschliesslich zur Prävention von schweren Erbkrankheiten vorgesehen.
Hier finden Sie das ganze Dokument zur Kampagnen-Planung des Ja-Komitees: Ja-zur-Familienplanung-Kampagne