Droht Axpo und Alpiq Kernschmelze wegen ihrer AKW?
637 Mio Franken Verlust pro Jahr

In einer neuen Studie kommt ETH-Dozent Rudolf Rechsteiner zum Schluss, dass die beiden AKW-Betreiber Axpo und Alpiq mit ihren Meilern massive Verluste einfahren. Im Durchschnitt waren es in den letzten fünf Jahren 637 Millionen Franken pro Jahr.
Publiziert: 03.11.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 16:09 Uhr
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Wie allen andern Meilern macht der tiefe Strompreis auch dem AKW Leibstadt zu schaffen.
Foto: ALESSANDRO DELLA BELLA
Matthias Halbeis

Die Schweizer Atomkraftwerke sind für ihre Betreiberinnen Axpo und Alpiq schon längst keine Goldgruben mehr. Im Gegenteil: Weil der Strompreis schon seit längerem auf markant tiefem Niveau liegt, machen die Meiler nur Verluste. Jetzt zeigt eine neue Studie, dass die AKW sogar für ihre Muttergesellschaften zu einer Gefahr werden könnten.

ETH-Dozent Rudolf Rechsteiner (57), der die Studie verfasst hat, sagt: «Gemessen an Marktpreisen an der Strombörse machen Axpo und Alpiq mit ihren AKW pro Jahr 637 Millionen Verlust.»

Ein Ausstieg wäre sinnvoller

Rechsteiner, ehemaliger SP-Nationalrat und bekannter AKW-Kritiker, hat das Werk gestützt auf öffentlich zugängliche Zahlen verfasst. Für ihn steht fest: «Nimmt man alle verfügbaren Prognosen zusammen, erreichen die AKW kaum je die Gewinnschwelle.» Darum sei es viel billiger und sinnvoller, aus dieser Energieform auszusteigen – so wie die BKW, die ihr AKW in Mühleberg 2019 schliesst.

Mit Blick auf die Axpo, welche Beznau 1 und 2 sowie Leibstadt betreibt, sagt Rechsteiner weiter: «Gerade Beznau zeigt das Problem schön: Wie bei einem Oldtimer-Auto muss Axpo immer mehr in diesen Meiler buttern, um ihn überhaupt am Laufen zu halten.»

Beznau ist seit 1969 am Netz

Beznau ist das älteste Atomkraftwerk weltweit, das noch Strom produziert: Der erste Reaktor ging 1969, der zweite 1971 ans Netz. Rechsteiner: «Somit erhöhen sich die Schulden ständig, weil der Erlös die laufenden Kosten – und dazu gehören eben auch Reparaturkosten – nie und nimmer decken kann.» Oder anders gesagt: Die Millionenverluste gehen je länger je mehr an die Substanz.

Einen ähnlichen Hinweis hatte letztes Wochenende auch Axpo-CEO Andrew Walo geliefert. In der «NZZ am Sonntag» stellte er klar, dass bei den heutigen Strompreisen niemand mehr in die Atomkraft investiere – und forderte staatliche Unterstützung. Dies, weil die AKW ja für Versorgungssicherheit sorgen würden. Im Gegensatz zu Rechsteiner rechnet Walo aber mit einer Erholung der Strompreise.

Axpo fährt darum auch grobes Geschütz gegen die Studie auf: Die Aussagen von Rechsteiner entsprächen nicht den Tatsachen. Gleichzeitig gibt man aber auch zu: «Tatsächlich verdienen die KKW bei den heutigen Strompreisen ihre Vollkosten nicht. «Sie würden aber immer noch einen Deckungsbeitrag liefern.

Produktionskosten sind höher als der Marktpreis

Bezüglich Beznau gibt auch Axpo zu: «Durch die hohen Investitionen in die Sicherheit der letzten Jahre sind die Produktionskosten in Beznau heute höher als der Marktpreis.» Mit den nach den 2008 investierten 700 Millionen Franken ist das Werk jetzt aber gerüstet für einen Betrieb deutlich über 2020 hinaus.

Alpiq beziffert die Verluste der Schweizer Stromproduktion – Wasserkraft und Kernenergie – auf jährlich rund zwei Milliarden Franken. Nur etwa die Hälfte könne man gebundenen Endkunden weiterverrechnen, den Rest müssten die Stromriesen selber tragen.

Man habe alle Varianten eines Atomausstiegs durchkalkuliert: Der langfristige Weiterbetrieb sei wirtschaftlich die am wenigsten schädliche Variante. Ganz falsch liegt Rechsteiner somit also nicht.

Zählt nicht auf den Staat!

Wirtschaftlichkeit ist normalerweise ein unbestrittener Wert: Wenn etwas nicht rentiert, dann sollte man es nicht künstlich am Leben erhalten. Das würde eine Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer unterschreiben. Schaut man die Stromproduktion an, ist alles komplizierter. Da träumen Leute, die sonst der Freiheit der Wirtschaft das Wort reden, von direkter Staatshilfe.

Das Zauberwort heisst einmal mehr Versorgungssicherheit. Bisher brachten dieses Argument die Bauern vor. Die Schweiz müsse auf eine Krise vorbereitet sein und darum sei es an der Politik, mit massiven Marktkorrekturen für das Überleben der Schweizer Produzenten zu sorgen. In der Energiediskussion haben auch die Strombarone diese Zeile entdeckt. Doch statt nach staatlicher Unterstützung für ein altes und unrentables Geschäftsmodell zu rufen, sollten sie ihre Energie besser in eine radikale Neuausrichtung stecken.

Ringier Portraits
Co-Politikchef Matthias Halbeis.

Wirtschaftlichkeit ist normalerweise ein unbestrittener Wert: Wenn etwas nicht rentiert, dann sollte man es nicht künstlich am Leben erhalten. Das würde eine Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer unterschreiben. Schaut man die Stromproduktion an, ist alles komplizierter. Da träumen Leute, die sonst der Freiheit der Wirtschaft das Wort reden, von direkter Staatshilfe.

Das Zauberwort heisst einmal mehr Versorgungssicherheit. Bisher brachten dieses Argument die Bauern vor. Die Schweiz müsse auf eine Krise vorbereitet sein und darum sei es an der Politik, mit massiven Marktkorrekturen für das Überleben der Schweizer Produzenten zu sorgen. In der Energiediskussion haben auch die Strombarone diese Zeile entdeckt. Doch statt nach staatlicher Unterstützung für ein altes und unrentables Geschäftsmodell zu rufen, sollten sie ihre Energie besser in eine radikale Neuausrichtung stecken.

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