Das Parlament will die grosse Service-public-Debatte
Aufstand gegen Leuthard

Mit einem knappen Ja hat das Stimmvolk das neue Radio- und Fernsehgesetz angenommen. Doch Medienministerin Doris Leuthard ist der Diskussion um den Service public stets ausgewichen. Nun scheint ihr die Mehrheit des Parlaments zu misstrauen und fordert deshalb eine ausserordentliche Session zum Thema.
Publiziert: 26.09.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 22:45 Uhr
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Die Mehrheit des Parlaments misstraut Medienministerin Doris Leuthard.
Foto: EQ Images
Von Christof Vuille

Es war ein bitterer Abstimmungskampf. Am Ende setzten sich die Befürworter des neuen Radio- und TV-Gesetzes (RTVG) mit dem knappsten Ergebnis der Geschichte durch. Ein Sieg für Medienministerin Doris Leuthard.

Doch die CVP-Bundesrätin befand sich in der Defensive. Die Abstimmungsdebatte war primär über den Service public geführt worden: Was soll die SRG eigentlich leisten, was darf sie, was nicht? Diesen Fragen wich die Aargauerin gern aus – und verwies auf den grossen Bericht zum Service public.

Dieser soll Mitte 2016 erscheinen und eine Diskussion über künftige SRG-Aufgaben ermöglichen. Leuthard macht den Kritikern aber bereits klar: «In die Kakofonie der Meinungen steige ich nicht ein!»

Doch eine Mehrheit des Parlaments misstraut Leuthard offen. In der Wandelhalle wird geargwöhnt, dass die Verwaltung nicht auf die Anliegen der Politik eingehen werde. 103 von 200 Nationalräten von rechts bis links fordern deshalb eine ausserordentliche Session im Dezember. Um sicherzustellen, dass alle medienpolitischen Vorstösse in den Bericht einfliessen.

Die Forderung stammt von SRG-Chefkritikerin Natalie Rickli (SVP/ZH), im Ständerat weibelt Hannes Germann (SVP/SH) für das Anliegen. Inhaltlich verlangt Ricklis Aktion Medienfreiheit, dass sich die SRG  im Internet auf Video- und Audioberichte beschränkt. Und sie will genau wissen, was die SRG mit halbem Budget noch leisten könne.

Selbst linke Polit-Schwergewichte wie Nationalrat Daniel Jositsch (SP/ZH) plädieren für den Einbezug politischer Forderungen. Dafür müsse Leuthard Verständnis zeigen, «sonst kommt es früher oder später zu einer unschönen Retourkutsche», so Jositsch – und spielt damit auf das denkbar knappe RTVG-Ja an.

Ähnlich tönt es bei FDP-Ständerätin Karin Keller-Sutter (SG). Sie möchte, dass das Parlament über den Service public diskutieren kann, «wie der Bundesrat das in Aussicht gestellt hat».

Auch die Grünliberalen stehen hinter dem Anliegen. Präsident Martin Bäumle (ZH): «Es scheint, als habe man nach der knappen Abstimmung keine Lehren gezogen, als seien SRG und Bundesrat zur Tagesordnung übergegangen.» Der Zürcher will eine «offene Diskussion ohne Tabus». Bäumle sieht das durchaus als «Misstrauensvotum gegenüber dem Kollektiv SRG, Bundesrat und Leuthard».

Rickli schliesslich begründet das Manöver mit der «Untätigkeit» der Medienministerin. Würden die Fragen ignoriert, werde die Politik nach weiteren Berichten schreien, was wiederum Zeit und Geld koste. Selbst Parteikollegen von Leuthard machen Druck: Die CVP-Nationalräte Jakob Büchler, Markus Ritter (beide SG) und Gerhard Pfister (ZG) haben mitunterzeichnet. Misstrauen herrsche auch bei den Grünen, sagt Fraktionschef Balthasar Glättli (ZH): «Es ist wichtig, dass der Bundesrat eine breite Auslegeordnung macht.» Er verlangt in einem Postulat stärkere Unterstützung für Online-Medien und den Einbezug von Überlegungen zur Netzneutralität.

Und was sagt Leuthard zum ganzen Aufstand? Ihr Departement wolle sich zu den Plänen aus National- und Ständerat nicht äussern, heisst es auf Anfrage.

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