Tessiner haben Schiss vor Schweizerdeutsch in Schule
«Das Ende der mehrsprachigen Schweiz?»

An einigen Schulen im Kanton Genf müssen Schüler bereits Schweizerdeutsch büffeln – jetzt zittern die Tessiner vor dem «Svizzero tedesco». CVP-Nationalrat Marco Romano sagt warum.
Publiziert: 30.11.2012 um 11:27 Uhr
|
Aktualisiert: 08.09.2018 um 07:03 Uhr
Von Christof Vuille

«Diese Entwicklung erschreckt mich», sagt Marco Romano. Der Tessiner CVP-Nationalrat spricht die Tatsache an, dass Genfer Schüler der Orientierungsstufe eine «sensilbilisation aux dialects» erhalten – also Schweizerdeutsch lernen müssen.

So etwas dürfe es in seinem Kanton nicht geben, sagt der vor drei Wochen 30 Jahre alt gewordene Romano. Nachdem er den entsprechenden Artikel auf Blick.ch gelesen hatte, reagierte er rasch und wendete sich an der Bundesrat.

Zu viele Dialekte für Tessiner?

Blick.ch liegen Romanos Anfragen vor, die Innenminister Alain Berset (SP) wird beantworten müssen. Romano will vom Bundesrat wissen, wie er die Tendenzen zu mehr Schweizerdeutsch beurteilt.

Artikel 4 der Bundesverfassung definiere schliesslich die Landessprachen, von denen alle Schweizer Bürger zumindest eine beherrschen sollten: Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. Da stehe nichts von Schweizerdeutsch, so Romano.

Nur schon die Vielzahl der Dialekte – «für uns Tessiner tönen die schon sehr unterschiedlich» – würde es für Italienischsprechende unmöglich machen, sich differenziert ausdrücken zu können und sich so mit den Deutschschweizer zu verständigen.

Doch die Kommunikation zwischen Romands, Tessinern und Deutschschweizern sei für das Land von zentraler Beduetung.

Englisch zwischen Landsleuten – «das Ende der Schweiz»

Er habe es im Parlament und vor allem in der Verwaltung schon erlebt, dass bei Treffen zwischen Deutschschweizern und Romands Englisch gesprochen wird, weil keiner auf die Sprache des anderen ausweichen will, klagt Romano.

Würden Tessiner kein «richtiges» Deutsch mehr sprechen, könne es zwischen seinem Kanton und der Deutschschweiz auch so weit kommen.

«Wenn das so weitergeht, ist es das Ende der mehrsprachigen Schweiz», fürchtet Romano, der wegen einem Gleichstand erst per Losentscheid in den Nationalrat kam.

Er geht davon aus, dass der Bundesrat die Autonomie der Kantone in den Vordergrund stellen wird – doch diese Argumentation sei «absolut nicht korrekt», sagt er. «Der Bund muss die Mehrsprachigkeit fördern und steuern» findet er.

Deutsch dank deutscher Mutter

Romano selbst spricht hervorragend Deutsch, sogar Schweizerdeutsch beherrscht der Tessiner. Das verdankt er seiner deutschen Mutter. Diese sprach Deutsch mit ihm, er antwortete aber stets auf Italienisch.

Romanos Angst ist nicht ganz unbegründet: In einem Vorstoss im kantonalen Parlament forderte ein SP-Parlamentarier, Schweizerdeutsch als Freifach in den Lehrplan zu integrieren.

Er fand damit allerdings keinen Anklang bei der Regierung. Diese liebäugelt aber damit, freiwillige Schweizerdeutsch-Intensivkurse in den Sommerferien anzubieten, schreibt die «NZZ».

Berset wird Romano am Montag in der Fragestunde Red und Antwort stehen müssen.

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?