CVP-Chef Pfister fordert Verteidigung des Abendlandes
«Schluss mit falscher Toleranz!»

CVP-Präsident Gerhard Pfister lanciert eine Debatte über das Zusammenleben der Kulturen in der Schweiz. Er fordert, dass alle Kinder den Religionsunterricht besuchen.
Publiziert: 02.06.2016 um 20:04 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 21:30 Uhr
CVP-Präsident Gerhard Pfister.
Interview Sermîn Faki

Letzte Woche wurde eine Volksinitiative zum Papi-Urlaub eingereicht. Im Komitee sitzen auch CVPler. Kann man auch Gerhard Pfister für dieses Anliegen gewinnen?
Gerhard Pfister: Die CVP-Vertreter sitzen im Komitee, weil sie Verbände präsidieren, die die Initiative lanciert haben. Aber Familienförderung und Kindswohl liegen auch mir sehr am Herzen. Die CVP sollte die Idee im Grundsatz unterstützen. Andererseits muss es für die Wirtschaft verkraftbar bleiben, denn die CVP ist auch die Partei des Mittelstands. Grosse, kapitalkräftige Unternehmen können einen Vaterschaftsurlaub leicht stemmen. In einem KMU mit vier Mitarbeitern sieht das anders aus.

Und das heisst?
Wenn die Initiative zustande kommt, sollten wir überlegen, einen guten Gegenvorschlag zu erarbeiten.

Die CVP versucht, sich als Familienpartei zu profilieren. Genützt hat es nicht viel: Sie haben beide Familien-Initiativen verloren und auch bei den Wahlen nicht zugelegt. War die Ausrichtung ein Fehler?
Nun, die Initiative zur Abschaffung der Heiratsstrafe wurde äusserst knapp abgelehnt. Wir werden da weiter dran bleiben. Gerade bei den Renten ist die Abschaffung der Heiratsstrafe in weite Ferne gerückt. Wenn sich da im Parlament nichts tut, müssen wir wieder eine Initiative lancieren. Auf die Frage, ob die Profilierung gescheitert ist: Nein, überhaupt nicht. Wir sind die bürgerliche Partei, die die Familie stärkt. Das ist unser starkes Standbein. Was aber nicht bedeutet, dass wir andere Themen vernachlässigen dürfen.

Zum Beispiel?
Wir müssen zum Thema Migration eine glaubwürdige Position finden. Mich beschäftigt auch das Verhältnis von Islamismus und Rechtsstaat. Die Schweiz muss eine ausführliche Debatte darüber führen, wie wir mit Fundamentalisten umgehen. Hier sehe ich eine wichtige Aufgabe für die CVP.

Wie könnte das aussehen?
Wir müssen definieren, was in unserem Land gilt und was unter keinen Umständen gelten darf. Seit einigen Jahren ist der Westen konfrontiert mit Menschen und Gruppierungen, die unser Wertesystem fundamental in Frage stellen. Nehmen Sie die Handschlag-Affäre: Jungen wurde erlaubt, im Namen der Religion der Lehrerin den Handschlag zu verweigern. Das ist inakzeptabel. Aber es zeigt: Regeln, die wir als selbstverständlich betrachten, werden offen bekämpft.

Vom Islam?
Nicht vom Islam. Aber wir werden herausgefordert durch den radikalen Islamismus. Perfiderweise macht dieser sich westliche Werte wie Toleranz zunutze, um diese gleichzeitig zu bekämpfen. Das ist gefährlich. Von dieser falsch verstandenen Toleranz müssen wir wegkommen. Menschenrechte, Toleranz und Religionsfreiheit sind nicht verhandelbar. Es ist ein grosser Erfolg der Schweiz, dass sie nie Parallelgesellschaften entstehen liess. Sowohl Schweizer als auch Ausländer haben immer wieder enorme Integrationskraft bewiesen. Das dürfen wir nicht aufs Spiel setzen.

Aber ist Religion nicht Privatsache?
Sie können in diesem Land glauben was Sie wollen. Aber Sie können nicht machen, was Sie wollen. Religion hört auf, Privatsache zu sein, wenn sie herrschende Werte bekämpft.

Christliche Werte.
Die Schweiz ist ein christliches Land. Dazu sollten wir wieder stehen. Und wir sollten klarmachen, dass wir bereit sind, dieses Erbe zu verteidigen. Wer bei uns lebt, muss lernen, diese christlichen Werte anzuerkennen.

In der Schule zum Beispiel?
Der Religionsunterricht in unseren Schulen ist passend für alle Religionen. Wenn er zum öffentlichen Schulangebot gehört, sollte er für alle Kinder verpflichtend sein, auch für muslimische, jüdische oder buddhistische.

Sie sind jetzt 40 Tage CVP-Präsident. Was sind die ersten Erkenntnisse?
Die erste Erkenntnis ist, dass es viel Arbeit gibt. Das ist keine Überraschung, aber ich bin noch immer dabei, mir einen Überblick zu verschaffen. In den Kantonen, in denen ich bis jetzt war, sind die Erwartungen sehr hoch. Aber auch die Motivation ist gut.

Es herrscht also Aufbruchsstimmung in der CVP?
Ja, an der Basis sind unsere Leute sehr motiviert, mit der CVP wieder etwas zu reissen. Darauf kann man aufbauen.

Auch bei den beiden anderen bürgerlichen Parteien sind neue Leute am Ruder. Klappts jetzt mit dem Schulterschluss?
Es ist eine Chance, dass alle drei Präsidenten neu sind. Das ist aber schon alles. Bei der Heraufbeschwörung des grossen rechten Machtkartells übersehen die Linken, dass sich letztlich nicht viel ändern wird. In der Schweiz finden sich je nach Thema andere Mehrheiten. Die drei bürgerlichen Parteien werden sich dort gemeinsam positionieren, wo auch Gemeinsamkeiten bestehen. Für uns sind die Übereinstimmungen mit der FDP am grössten. Zur SVP gibt es in gewissen Fragen nach wie vor fundamentale Unterschiede.

So richtig funktioniert die bürgerliche Zusammenarbeit noch nicht. Ihr ehemaliger Fraktionschef Urs Schwaller hat einen Vorschlag zur Rentenreform ausgearbeitet, der jetzt von FDP und SVP zerzaust wird.
Wir sind noch mitten in den Beratungen. Bis die Reform im Herbst in den Nationalrat kommt, wird noch viel passieren. Für die CVP ist klar: Wir wollen die notwendigen Reformen vorwärts bringen. Zentral ist, dass der Umwandlungssatz in der 2. Säule gesenkt wird.

FDP und SVP wollen aber zusätzlich auch eine schleichende Erhöhung des AHV-Alters. Ist die CVP dafür zu haben?
Die Idee einer solchen Schuldenbremse ist grundsätzlich richtig. Die Frage ist, ob man sie die aktuelle Reform packen soll.

Soll man?
Ich rate davon ab, denn damit würde das Paket überladen. Wir müssen die AHV sanieren, und das geht nicht ohne die Zustimmung des Volkes. Auch wenn die Reform vielleicht nicht ausreicht, um die AHV wirklich nachhaltig zu sanieren, ist sie ein guter Schritt in die richtige Richtung. Wer das riskiert, macht einen grossen Fehler.

Werden Sie an der ständerätlichen Version festhalten?
Die CVP wird sich dafür einsetzen, dass es keinen einseitigen Abbau gibt. Der Vorschlag des Ständerats ist gut, auch wenn man über einzelne Frage sicher diskutieren kann.

Zum Beispiel?
Man könnte etwa den Kritikern entgegenkommen und die Rentenerhöhung von 70 Franken pro Monat auf kleine Einkommen beschränken.

Später aber wollen Sie das AHV-Alter erhöhen?
Wir müssen den Lebensbedingungen stärker Rechnung tragen. Es ist klar, dass jemand, der schwere körperliche Arbeit verrichtet, nicht bis 67 arbeiten kann. Andere aber schon. Auch die Einkommenssituation müssen wir besser berücksichtigen. Es braucht daher flexible Lösungen.

Die Nagelprobe für die bürgerliche Zusammenarbeit ist die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative. Laut SVP-Chef Albert Rösti gibt es noch keinen Durchbruch in den Gesprächen. Was ist das Problem?
Einigkeit besteht darin, dass wir keinen Ausbau der flankierenden Massnahmen wollen. Über alles andere müssen wir noch reden. Mein Ziel ist, die Vorlage möglichst schnell zu beraten, den Volkswillen umzusetzen und das Verhältnis zu Europa nicht zu sehr zu strapazieren. Aus CVP-Sicht ist das möglich.

Muss die SVP auf Kontingente und Höchstzahlen verzichten, wie FDP-Präsidentin Petra Gössi fordert?
So steige ich nicht in Verhandlungen. Ich will zuerst schauen, wo es Gemeinsamkeiten gibt, und mich von dort aus zu den Unterschieden vorarbeiten. Beim Inländervorrang und bei der Einwanderung in die Sozialwerke finden wir uns sicher. Meiner Meinung nach herrscht auch Konsens über eine Schutzklausel, die greift, wenn die anderen Massnahmen nicht ausreichen, um die Zuwanderung zu reduzieren. Wie das genau aussehen soll, ist noch offen. Es ist an der SVP, zu definieren, was sie mittragen kann.

Wie soll denn der Inländervorrang umgesetzt werden?
Indem das inländische Potenzial, zu dem auch die hier lebende Ausländer gehören, besser ausgeschöpft wird. Zum Beispiel, indem man zuerst schaut, ob man Stellensuchende für offene Stellen findet und nicht gleich im Ausland rekrutiert.

Das funktioniert ja nicht einmal beim Bund, wie der BLICK herausgefunden hat. Nur 3 von 730 Stellen konnten so besetzt werden.
Ich weiss nicht, warum das beim Bund noch nicht richtig funktioniert. Vielleicht braucht es andere Mechanismen. Aber das Potenzial ist gross, etwa bei den über 50-Jährigen.

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