Bundesrätin Doris Leuthard über Solar Impulse, Tempo 80 und die Verschwendung von Ressourcen
«Die Bevölkerung muss sparsamer werden»

Auf dem Rückflug von Abu Dhabi sagt Umweltministerin Doris Leuthard, was Piccards Abenteuer der Schweiz bringt, was sie von der Initiative für eine «grüne Wirtschaft» hält und warum Tempo 80 auf Autobahnen der richtige Weg ist.
Publiziert: 28.07.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 20:05 Uhr
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«Ich halte nicht viel von solcher Angstmacherei», sagt die CVP-Bundesrätin zur Economiesuisse-Kampagne gegen die grüne Wirtschaft.
Foto: STEFAN BOHRER
Christof Vuille (Interview) und Stefan Bohrer (Fotos)

BLICK: Frau Bundesrätin, Sie sorgten in Abu Dhabi vor der Weltpresse mit dem Entrollen einer Schweizer Fahne für Aufsehen. War das geplant? 
Doris Leuthard:
Jein. Die Botschafterin hatte sie in der Tasche und drückte sie mir einfach in die Hand. Ich musste sie quasi unter dem Arm verstecken und wartete, bis nur noch Piccard und Borschberg da waren. Es war eine spontane Aktion, aber die Bilder davon sind toll.

Sie hatten das Glück, dass die Stars von Abu Dhabi Landsleute sind. Wie kann die Schweiz davon profitieren? 
Es geht nicht nur um die beiden Stars. Solar Impulse als Ganzes repräsentiert die Schweiz. Viele Innovationen entstanden in Zusammenarbeit mit der EPFL in Lausanne, namhafte Schweizer Firmen sind grosse Sponsoren.

Aber wo sind basierend auf dem Solarflugzeug konkret Innovationen möglich? 
Schauen Sie das Karbon-Material an, das sie verwendet haben. Ursprünglich kommt das von der Alinghi (das Schweizer Segelboot, Red.), aber es wird sich in der Flugzeugindustrie wohl durchsetzen. Auch das Rad des Solar-Impulse-Flugzeugs hat Potenzial. Es kann sich quer stellen und so bremsen. Flugzeug-Konstrukteure werden diese Innovation aufnehmen. Es gibt viele mögliche Anwendungen. Es wäre super, wenn die Ingenieure zusammenbleiben und in der Schweiz weiterforschen würden.

Werden wir es noch erleben, dass ein Flugzeug ohne Treibstoffverbrauch Massentransporte durchführt? 
Wahrscheinlich nicht, jedenfalls nicht mit der Solartechnologie. Eine Pionierleistung bedeutet aber auch nicht, dass genau dieses Projekt verwirklicht werden muss, sondern sie zeigt Möglichkeiten auf, bietet viel Experimentelles. Der Bund hat dem Team Leistungen im Wert von fünf Millionen Franken zur Verfügung gestellt. Das ist gut investiertes Geld.

Piccard und Borschberg haben Angebote für ihr Rekordgerät. Setzen Sie sich dafür ein, dass der Flieger zurück in die Schweiz kommt? 
Er könnte noch über 1000 Stunden fliegen, und ich fände es toll, wenn Solar Impulse noch mal in die Luft geht. Vielleicht können sie ja auch mit einem Passagier abheben. Aber wir versuchen natürlich mit dem VBS zusammen, eine Lösung, also eine Garage, zu finden. Es wäre fantastisch, Solar Impulse in der Schweiz zu halten. Sicherlich wäre das auch touristisch nutzbar. Der Bund wird seinen guten Willen zeigen, aber der Entscheid liegt bei Borschberg und Piccard.

Trotz all der schönen Worte in Abu Dhabi für einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen bekämpfen Sie die Initiative für eine grüne Wirtschaft. Das ist unverständlich! 
Der Bundesrat hat festgehalten, dass die Initianten ein berechtigtes Anliegen aufnehmen. Ein sparsamerer Umgang ist der richtige Weg, aber die Initiative macht den Fehler, dass sie in der Verfassung eine starre Grenze – ein Verbrauch im Rahmen einer Erde bis 2050 – vorschreiben will. Dadurch müssten wir den Verbrauch massiv einschränken. Das ist nicht machbar. Wir machen uns auf den Weg, aber wir machen eine realitätsbezogene Politik. Die Initiative überfordert die Bevölkerung, bestraft die Wirtschaft und gefährdet Arbeitsplätze.

Ihr Gegenvorschlag ist nur knapp gescheitert. 
Ja, er ging der Wirtschaft leider schon zu weit. Und es waren Wahlen, die bürgerlichen Parteien haben sich gesagt: Wir machen jetzt mal gar nichts.

Zu Unrecht? 
Ja, ich finde schon. Wir können uns den heutigen, hohen Ressourcenverbrauch leisten, weil wir ein reiches Land sind. Aber wir importieren ihn auch auf Kosten anderer Länder. Für kommende Generationen muss die Bevölkerung ihr Verhalten überdenken und sparsamer werden, vor allem in Bezug auf Energie, Boden und Wasser.

Die Gegner behaupten in ihrer Kampagne, bei einem Ja könnten wir nur noch kalt duschen. Teilen Sie diese Ansicht? 
Nein (lacht). Bevor sich etwas ändert, bräuchte es ein Gesetz, und da ist bekanntlich vieles möglich. Sicher müsste man weniger Energie und Wasser verbrauchen, aber das wäre auch mit anderen Massnahmen möglich. Ich halte nicht viel von solcher Angstmacherei.

Für Furore sorgte kürzlich ihr Chefbeamter Jürg Röthlisberger. Er kündigete an, vermehrt Tempo 80 auf Autobahnen zu verfügen. Der richtige Weg? 
Ja, Tempo 80 ist ein entscheidendes Instrument gegen Stau. Wir praktizieren das schon eine Weile an manchen Stellen, und das mit Erfolg. Persönlich bin ich lieber etwas langsamer unterwegs, statt andauernd wieder zu stehen.

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