Das Bundesgericht pfeift das Zuger Migrationsamt zurück: Die Inhaftierung einer afghanischen Familie im letzten Herbst erfolgte zu Unrecht. Damit gibt das Bundesgericht auch BLICK recht. Er hatte das gnadenlose Vorgehen der Zuger Behörden im Oktober aufgedeckt.
Der Kanton hatte die Eltern getrennt in Ausschaffungshaft gesteckt, nachdem sie sich einer Ausschaffung widersetzt hatten: den Vater in die Strafanstalt Zug, die Mutter mit dem vier Monate alten Baby ins Flughafengefängnis Kloten. Die drei älteren Kinder Karim* (8), Amira* (5) und Amin* (3) wurden in einem Heim fremdplatziert, wo niemand ihre Sprache sprach. Wo genau, wussten die Eltern nicht, sie durften neun Tage lang nicht mit den Kleinen telefonieren.
Zug klärte zu wenig ab
Das war absolut unverhältnismässig, befindet nun das Bundesgericht. Die Zuger Behörden hätten andere Möglichkeiten prüfen müssen, bevor sie die getrennte Inhaftierung der Familie anordneten. Doch das passierte nicht, rügt das höchste Schweizer Gericht unter SVP-Präsident Hans Georg Seiler.
Dabei hätte es andere Möglichkeiten gegeben: So leben Verwandte der Familie seit vielen Jahren in der Schweiz, unter anderen die Grossmutter der Kinder, die diese auch gern in ihrem Haus aufgenommen hätte.
«Eindeutig widerrechtlich»
Damit habe der Kanton gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstossen, der das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens schützt. «Ein Staat kann sich zur Durchsetzung eines hängigen Ausweisungsverfahrens nicht sämtlicher konventionsrechtlicher Garantien entledigen», so das barsche Urteil.
«Die dreiwöchige Inhaftierung der Eltern und Fremdplatzierung von dreien ihrer Kinder, zeitweise begleitet von einer Kontaktsperre, war eindeutig widerrechtlich», zeigt sich der Anwalt der Familie, Guido Ehrler, zufrieden.
Zug wies Vorwürfe zurück
Der Kanton Zug hatte sich damals uneinsichtig gezeigt. Die Darstellungen im BLICK seien «einseitig, unvollständig und die Anwürfe gegen die kantonalen Behörden nicht begründet», schrieb der Kanton in einer Medienmitteilung. Alle involvierten Behörden und Einzelpersonen hätten überlegt, zurückhaltend und mit grösstem Fingerspitzengefühl gehandelt.
Dass dem nicht so war, zeigt sich nun mit dem Urteil. Und fast wäre es für die Zuger Behörden noch schlimmer gekommen: Der Kanton ist nur haarscharf einer Rüge wegen unmenschlicher und erniedrigender Behandlung entgangen.
«Wegleitendes Urteil»
«Der Fall zeigt, mit welcher Härte heute bei der Ausschaffung vorgegangen wird. Die Dublin-Verordnung wird viel zu strikt angewandt», sagt Denise Graf, Asylrechtsexpertin bei Amnesty International.
Für sie hat das Bundesgericht ein «wegleitendes Urteil» gefällt: «Dublin-Haft mit Trennung der Kinder von den Eltern, um eine Ausschaffung zu erzwingen, wird es in Zukunft in der Schweiz hoffentlich nicht mehr geben.»
* Namen der Redaktion bekannt