Bund will Praktika verbieten
Den Kitas hauts den Nuggi raus

Der Staat will Teenager vor Praktika in Kindertagesstätten schützen. Das würde die Kosten für die Fremdbetreuung deutlich erhöhen.
Publiziert: 24.04.2017 um 08:22 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 12:56 Uhr
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Viele Kitas beschäftigen Praktikanten – und können so auch ihre Tarife im Rahmen halten. Der Bund will dem einen Riegel schieben.
Foto: KEYSTONE/ALESSANDRO DELLA VALLE
Christof Vuille

Spätestens seit dem Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative steht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weit oben auf der politischen Agenda. Vor allem Mütter sollen verstärkt in die Arbeitswelt eingebunden werden.

Anfang Mai entscheidet darum der Nationalrat darüber, ob Kitas mit 100 Millionen Franken subventioniert werden. Hinter den Kulissen laufen beim Staat allerdings Bemühungen, welche die Kita-Plätze massiv verteuern werden.

Bern will Praktikanten 3000 Franken bezahlen

Im Fokus der Behörden stehen Praktikantinnen und Praktikanten. Heute machen viele angehende Kita-Lehrlinge ein rund einjähriges Praktikum, bevor es ernst gilt. Nicht alle Praktikanten machen aber tatsächlich eine Lehre. Der Kanton Bern hat deswegen reagiert. Per August dürfen Praktika nur noch maximal ein halbes Jahr dauern. Eine Verlängerung soll nur erlaubt sein, wenn die Garantie für eine Lehrstelle vorliegt und den Praktikanten ein Lohn von 3000 statt 1000 Franken bezahlt wird.

Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation von Mauro Dell'Ambrogio (r.), das zum Wirtschaftsdepartement von Johann Schneider-Ammann gehört, hat kein Verständnis für die heutige Praxis.
Foto: KEY

Bund: «Weitere Kantone sollen folgen»

So will es die Kantonale Arbeitsmarktkommission (Kamko). Bereits im Frühling 2018 will sie Betriebe kontrollieren. Der Bund beobachtet die Entwicklung mit Interesse. Monika Zaugg-Jsler vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI), sagt: «Es ist nicht im Sinn des Gesetzgebers, dass Teenager vor dem Start einer Berufslehre Praktika absolvieren müssen.» Der Kanton Bern habe eine «Vorreiterrolle» eingenommen. Für die Projektverantwortliche beim Bund ist klar: «Weitere Kantone sollten diesem Beispiel folgen.»

Verband: Preissteigerung von «mehr als 20 Prozent»

Die Auswirkungen wären massiv, vor allem für viele Eltern. «Ein Quasiverbot von Praktikantinnen dürfte die Preise um mehr als 20 Prozent ansteigen lassen», so Nadine Hoch, Geschäftsführerin von Kibesuisse, dem Verband Kinderbetreuung Schweiz.

Nadine Hoch vom Verband Kinderbetreuung Schweiz rechnet mit einem Aufschlag von mehr als 20 Prozent.

Wenn solche Bestimmungen eingeführt werden, müsse klar sein, wer für die Kosten aufkomme, denn: «Viele Eltern können die Tarife schon heute kaum mehr zahlen.» Die Kosten für eine hundertprozentige Fremdbetreuung belaufen sich rasch auf 2000 Franken pro Monat.

Kita-Leiterin Pieren (SVP): «Für private Kitas eine Katastrophe»

Widerstand leistet auch SVP-Nationalrätin Nadja Pieren. Die Bernerin leitet in der Agglomeration Bern erfolgreich eine Kita. Sie rechnet vor: «Rund 80 Prozent aller Ausgaben von Kitas sind Personalkosten. Der Rest sind Fixkosten wie Miete, Essen oder Spielsachen.»

Da Lernende zwei Tage pro Woche in der Schule seien, müsse sie gleich zwei von ihnen anstellen, um eine volle Praktikumsstelle zu ersetzen. Will heissen: Wenn keine Praktikantinnen mehr angestellt werden dürfen, muss wohl auch sie die Tarife erhöhen. «Das will ich unbedingt verhindern», so Pieren.

Die Richtlinien der Kamko seien zwar rechtlich nicht bindend. Doch diese könne beim Regierungsrat vorstellig werden, der dann neue Gesetze erlässt. «Das wäre vor allem für private Kitas eine Katastrophe», so Pieren.

«Fluktuation ist nicht gut fürs Kindswohl»

Der Vorwurf, dass Kitas Praktikantinnen «ausbeuten», stimme nicht. Viele möchten sich damit auf eine Lehre vorbereiten, manche hätten aber auch ganz andere Ziele. «Wir haben immer wieder Maturanden, die vor ihrem Studium Erfahrungen in der Praxis sammeln wollen», erklärt die 37-Jährige.

Praktikantinnen verdienen laut Pieren mit rund 1000 Franken mehr als Lehrlinge in den ersten beiden Jahren. Für eine ausgebildete Fachfrau empfehle der Kanton einen Lohn von 4400 Franken. «Da kann es doch nicht sein, dass ich einer 15-jährigen Praktikantin 3000 Franken bezahlen muss!», enerviert sich die SVP-Frau.

Die geplanten Regeln würden zu einer «massiv höheren Fluktuation» oder zu höheren Kita-Tarifen führen. «Das eine ist nicht gut für das Kindswohl, das andere schlecht für die Eltern. Also eine Lose-lose-Situation», bilanziert Pieren.

Nadine Hoch vom Branchenverband Kibesuisse nimmt die Arbeitgeber in die Pflicht. In der Romandie engagieren sich diese finanziell stärker für Kita-Plätze.

Das wäre auch in der Deutschschweiz der richtige Weg, findet sie und sagt: «Wollen wir die Zuwanderung senken und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern, so müssen wir bereit sein, dafür etwas zu investieren.»

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