Briten bald im gleichen Boot wie die Schweiz?
Das passiert nach einem Ja zum Brexit

Ein Ja zum Brexit bedeutet das Aus für zahlreiche Freihandelsabkommen. Um sich den Marktzugang dennoch zu sichern, müssten die Briten Kompromisse eingehen, die sie mit dem Austritt genau verhindern wollen.
Publiziert: 16.06.2016 um 00:00 Uhr
|
Aktualisiert: 11.09.2018 um 11:30 Uhr
1/2
Vor allem der Finanzplatz in London zittert vor dem Brexit: Dann müsste die englische Aussenhandelspolitik komplet neu konzipiert werden.
Foto: AFP Photo
Matthias Halbeis

Stimmen die Briten nächste Woche für den Austritt aus der Europäischen Union, dann muss für das Vereinigte Königreich schnellstens eine neue Aussenhandelspolitik her. Immerhin hatte London seit dem Beitritt zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 1973 alle Freihandelsabkommen mit anderen Staaten und Staatengruppen via Brüssel abgeschlossen.

Viele Beobachter rechnen damit, dass nach dem sogenannten Brexit eine alte Option in den Mittelpunkt rückt (alle anderen vgl. rechts): die Efta, eine internationale Organisation, gegründet in der 60er-Jahren als Gegengewicht zur EWG, aus der später die EU hervorging. Ziel der Organisation war immer, Wachstum und Wohlstand ihrer Mitgliedstaaten sowie den Handel und die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu fördern. Heute gehören der Efta nur noch Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz an. Ironie der Geschichte: Ausgerechnet mit dem Übertritt der Briten 1973 zur EU verlor die Efta am meisten an Bedeutung.

Schweiz würde Efta-Beitritt mitbestimmen

Doch wäre ein Wiedereintritt in die Organisation überhaupt möglich? Ja, sagt Efta-Spezialist Christian Frommelt, der am Liechtenstein-Institut forscht. Bedingung wäre einzig, dass alle Mitgliedstaaten der Aufnahme zustimmten. Wir hätten es in der Hand, ob die Briten aufgenommen würden.

Aus Frommelts Sicht gibt es durchaus Argumente für die Efta-Option: «London muss mit allen Handelspartnern, mit denen Grossbritannien als EU-Mitglied geregelte Beziehungen hatte, neue Verträge aushandeln.» Das sei äusserst aufwendig – und kaum innerhalb der bei einem EU-Austritt vorgesehenen Zweijahresfrist zu schaffen. Frommelt: «Am einfachsten und schnellsten erhält Grossbritannien ein Freihandelsnetz, wenn es sich einem bestehenden Vertragswerk anschliesst.» Und genau das biete die Efta.

Kein EU-Marktzugang ohne Personenfreizügigkeit

Aber selbst die Einigung mit den Efta-Staaten bleibe aufgrund des Zeitdrucks ambitioniert – trotz geregelten Verfahrens: «Grossbritannien ist im Vergleich zu den bisherigen Mitgliedern viel grösser und auch geostrategisch anders positioniert – das würde sowohl die Verhandlungen innerhalb der Efta also auch mit potenziellen Freihandelspartnern komplizierter machen», erklärt der Liechtensteiner. Man könne sich deshalb gut vorstellen, dass ein Wiedereintritt nicht im Interesse der bisherigen Mitglieder sei. Dazu kommt, dass die Efta-Mitgliedschaft für die allfälligen Bedürfnisse Londons kaum ausreicht. Denn sie würde den Briten nicht den vollen Marktzutritt zur EU bieten. Aus diesem Grund mussten die Efta-Staaten erst ein Freihandelsabkommen mit der EU und später das EWR-Abkommen aushandeln. Gerade Letzteres war mit der Übernahme von Pflichten verbunden, was ja die Schweizer 1992 zu einem Nein bewog. Um Zugeständnisse kam auch die Schweiz nicht herum: Diese musste sie machen, um über die Bilateralen den Marktzutritt zu bekommen.

Das Dilemma, das sich laut Frommelt aber weiter stellt, ist das folgende: «Will London den Marktzugang zur EU, kommen die Briten kaum um die Personenfreizügigkeit und die Übernahme von EU-Recht herum.» Doch genau beide sind die wichtigsten Argumente der Brexit-Befürworter.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?