Karrer kann das. Frühmorgens die Öffentlichkeit über den Kuoni-Verkauf informieren. Um 8.30 Uhr eine Telefon-Medienkonferenz zum Kuoni-Deal abhalten. Um 10.15 Uhr in der Economiesuisse-Jahresmedienkonferenz die grossen wirtschaftspolitischen Linien aufzeigen. Um 14 Uhr Kuoni-Investoren in einer weiteren Konferenz ins Bild setzen. Und dabei stets charmant sein. Lächeln. Locker bleiben. Wie ein TV-Koch beim Rüebli- Schnetzeln.
Heinz Karrer (56) kann das. Erstens, weil er ein unglaublich begabter Kommunikator ist. «Der kann dir einen toten Hasen als Haustier verkaufen», sagt der ehemalige SP-Politiker Rudolf Rechsteiner.
Zweitens, weil die Zeiten vorbei sind, da Economiesuisse-Bosse den Hut nehmen mussten, wenn sie kommerziell versagten und tragende Säulen des helvetischen Wirtschaftsstolzes ins Ausland verramschten.
Man hat sich ans Gewurstel der Wirtschaftsspitzen gewöhnt, von Karrer wurde vielleicht auch nichts anderes erwartet.
Von 2002 bis 2014 wirkte er als Axpo-Chef. Für Experten ist klar: Es geht auf seine Kappe, dass der Energiekonzern in den letzten Jahren 3,8 Milliarden Franken abschreiben musste und heute schlechter dasteht als viele Konkurrenten.
Als Karrer 2014 das Kuoni-Präsidium übernahm, war der Reisekonzern bereits angeschlagen. Doch der Verwaltungsrat hat massgeblich dazu beigetragen, dass das Unternehmen jetzt veräussert werden musste.
Auch den Abstieg der Economiesuisse hat Karrer nicht gestoppt. Im entscheidenden Dossier, der Europa-Frage, agiert der Verband unter Karrer widersprüchlich. Man wirbt für eine offene Schweiz, schmiegt sich aber zugleich bei der SVP an, die die Bilateralen opfern will. Eine Sowohl-als-auch-Strategie, mit der sich die Nachfolgeorganisation des einst mächtigen «Vorort» weiter isoliert.
Karrer selbst übrigens schiebt die Europa-Frage mit spitzen Fingern vor sich her. An der gestrigen Economiesuisse-Konferenz überliess er das diffizile Thema seiner Verbandsdirektorin Monika Rühl.
Karrer zog es vor, über andere «wichtige Weichenstellungen» zu sprechen. Zum Beispiel über «das Restmonopol der Post auf Briefe bis 50 Gramm». Hier brauche es mehr Wettbewerbsdruck, so Karrer. «Der Schweizer Postmarkt muss deshalb so rasch wie möglich und vollständig geöffnet werden.» Es gehe darum, «Effizienzgewinne» zu erzielen.
Wenige Stunden nach dem Kuoni-Ausverkauf und mitten in der heissesten europapolitischen Phase seit 1992 über ein läppisches Briefmonopol polemisieren. Karrer kann das. Fragt sich nur, wie lange noch.