Die Krise um das «Kill Erdogan»-Plakat an der Berner Demonstration vom letzten Wochenende spitzt sich weiter zu. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sich nun persönlich zu Wort gemeldet: «Vor euren Augen drohen sie dem Präsidenten eines Staates offen mit dem Tod und ihr unterstützt sie auch noch. Schande über euch!», sagte Erdogan während einer Rede an die Adresse der Schweiz.
«Türkische Überreaktion»
Aussenpolitiker reagieren gelassen auf die neuste Zuspitzung. «Das ist eine Überreaktion von türkischer Seite», sagt der Zürcher FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann. Die Türkei sollte wissen, dass dieses Plakat nicht von der offiziellen Schweiz stamme, sondern die Meinungsäusserung einer links-autonomen Minderheit und allenfalls sogar ein strafbarer Aufruf zur Gewalt gewesen sei.
«Die Schweiz hat erklärt, dass man das Plakat verurteile und den Gewaltaufruf nicht akzeptiere. Erdogan sollte das Thema ruhiger anschauen und sich wie unser Aussenminister Didier Burkhalter staatsmännischer geben», findet Portmann.
Erdogan braucht ein Feindbild
Deutliche Worte an Ankara findet auch der Genfer SP-Nationalrat Carlo Sommaruga. Es sei «nicht angebracht, so gegen die Schweiz zu schimpfen», sagt er.
Doch Erdogan suche jeden Kontext, um ein Feindbild zu kreieren: «Es ist momentan die türkische Strategie, auf Konfrontation zu gehen und jede Situation dafür auszunutzen.»
Erdogan ginge es bei dieser Kritik eindeutig um eine innenpolitische Debatte und darum, eine Mehrheit für seine Verfassungsreform zu finden. «Die Schweiz ist gut beraten, ruhig und sachlich zu reagieren», meint er.
Wir brauchen keinen Druck aus Ankara!
Das findet auch Roland Büchel, Präsident der nationalrätlichen Aussenpolitischen Kommission. «Das Plakat ist eine massive Grenzüberschreitung», so der St. Galler SVP-Nationalrat. «Doch unsere Strafverfolgungsbehörden brauchen sicher keine Motivationsspritze aus Ankara, um dem nachzugehen», sagt er in Anspielung auf das laufende Strafverfahren der Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland.
Aber auch er findet, dass Erdogan sich zurücknehmen sollte. «Es geht nicht an, dass unsere Vertreter in der Türkei zwei Mal derart vorgeführt werden, nur weil sich bei uns ein paar unreife Bubis geschmacklos und unzivilisiert aufführen.»
Nachdem die Nachricht über das Plakat nach Ankara gelangt war, hatte das türkische Aussenministerium den Schweizer Botschafter sowie seine Stellvertreterin einbestellt. Dazu kommt noch das Telefon zwischen den beiden Aussenministern, auch das am Wochenende. «All das ist zu viel der Ehre für die linken Berner Chaoten», sagt Büchel.