Der Freiburger Bibliothekar Daniel Pittet (57) hat seinem Peiniger zwar vergeben. Und auch dem katholischen Glauben ist er treu geblieben, wie er im BLICK vom Montag und in seinem eben erschienenen Buch «Mon Père, je vous pardonne» schildert. Das ändert jedoch nichts am Leid, das ihm in seiner Kindheit angetan wurde. Über vier Jahre lang, von 1968 bis 1972, hat ihn der Kapuziner-Priester Pater Joël (76) vergewaltigt und für Pornofotos missbraucht.
Drei Mal seit 1995 wurde gegen den Pädo-Priester ermittelt. Doch jedes Mal kam er wegen Verjährung ungeschoren oder lediglich mit einer Strafe auf Bewährung davon. Geschützt wurde er von seinen Ordensbrüdern, die ihn jeweils an einen andern Ort verlegten.
«Opfer zu wenig ernst genommen»
Jetzt räumen die Kapuziner Fehler ein. In einer gemeinsamen Pressemitteilung mit der Bischofskonferenz und der Diözese Lausanne, Genf und Freiburg schreiben sie: «Die Kapuziner stehen zu den Anschuldigungen, dass durch die damals übliche Praxis im Umgang mit Tätern von sexuellen Übergriffen weitere Übergriffe erst möglich wurden. Um den Ruf der Kirche oder des Ordens zu schonen, versuchte man damals allein durch interne Regelungen wie Versetzung oder Berufsverbot das Problem zu lösen. Bei Versetzungen wurden die neuen Arbeitgeber zu wenig informiert. Leider wurden auch Hinweise und Meldungen von Opfern zu wenig ernst genommen.»
Bei der späten Einsicht und einer Entschuldigung allein soll es nicht bleiben. Kapuziner-Chef Agostino Del-Pietro verspricht: «Wir werden durch eine unabhängige juristische Instanz gründlich abklären lassen, wie weit sich aus dem Buch von Daniel Pittet neue Verdachtsfälle von Verschleierung ergeben und ob noch weitere Opfer gefunden werden können.» Im Übrigen gelte heute eine «Null-Toleranz-Regel» bei Pädophilie-Vergehen.
Entschädigung für die Missbrauchten
Eine Untersuchung kündigt auch Charles Morerod an, das Oberhaupt der Diözese Genf, Lausanne und Freiburg, wo sich der Missbrauch an Pittet zugetragen hat. Er nehme die Informationen «zum Anlass, um eine mögliche Beteiligung von weiteren Personen in seiner Diözese zu untersuchen», schreibt der Präsident der Bischofskonferenz.
Die Kirchenvertreter rufen Opfer auf, sich zu melden. Auch Fälle, die nach staatlichem Recht verjährt seien, könnten im Rahmen einer kirchlichen Untersuchung überprüft werden. Zudem hat die Kirche einen Genugtuungsfonds eingerichtet für Opfer von verjährten Taten. (adb)
Eine Zusammenstellung von Opferhilfestellen gibt es hier.