Jetzt reden die Aussteiger
«Es war wie Sklaverei!»

Nachdem Scientology in Basel ihren neuen Mega-Tempel eröffnet haben, regt sich grossen Widerstand. Es melden sich auch ehemalige Mitglieder der Psycho-Sekte. Scientology brachte sie um ihren Job, ihr Erspartes, ihre Familie. Nun reden diejenigen, die den Ausstieg geschafft haben.
Publiziert: 16.04.2015 um 12:44 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 20:47 Uhr
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Lucia K.* (59) - 7 Jahre Mitglied: Sie wurde systematisch eingeschüchtert.
Foto: Stefan Bohrer
Von Jessica von Duehren

In neun Tagen ist es so weit. Dann eröffnet in Basel der neue Mega-Tempel von Scientology. 150 Menschen sollen dort arbeiten, mit 4600 Quadratmetern ist das Gebäude fast doppelt so gross wie jenes in Zürich. Das gefällt nicht jedem. Gestern berichtete BLICK über Basler, die sich gegen die neue Zentrale der Pseudo-Kirche wehren. Jetzt reden die Aussteiger: Drei ehemalige Mitglieder erzählen, wie sie in die Fänge der Sekte gerieten – und den Absprung schafften.

Lucia K.* (59), 7 Jahre Mitglied

Vor 32 Jahren verliess die Baslerin Scientology. «Nun wollen die genau hier einen Riesentempel eröffnen», sagt die Büro­angestellte. Sie ist gerade 20, als sie 1976 auf der Strasse von einem Scientologen angesprochen wird: «Ich war schüchtern, er hat mir einen Kommunikationskurs schmackhaft gemacht.» Kurz darauf ist Lucia festes Mitglied. «Ich war überzeugt, dass ich etwas für die Gesellschaft tue», sagt sie. Nach zwei Jahren kündigt die junge Frau ihren Bürojob, arbeitet Vollzeit für die Sekte. Sie erinnert sich: «Oft mussten wir von 9 bis 23 Uhr, sieben Tage pro Woche, zu einem Hungerlohn arbeiten. Das war wie Sklaverei.» Sie wird systematisch eingeschüchtert und fühlt sich in der Gemeinschaft immer unwohler. 1983, nach sieben Jahren, schafft sie den Ausstieg. «Wenn ich verhindern kann, dass weitere Personen zu Scientology kommen, wäre ich froh. Das würde ich niemandem wünschen. Man wird finanziell ausgebeutet und kommt in eine psychische Abhängigkeit.»

René Kraaz (55), 14 Jahre Mitglied

Er ist 22, als er in die Fänge der Sekte gerät – das war 1982. «Nach einem schweren Unfall wurden meine Schmerzen mit Methadon behandelt. Als das abgesetzt wurde, bekam ich Angstzustände», sagt der heute 55-Jährige. Als er auf der Strasse von Scientologen angesprochen wird, ist er psychisch am Ende – und wird Mitglied. Nachdem er 8000 Franken für einen Kurs bezahlt hat, den er dann nicht machen darf, steigt er 1991 aus: «Ich habe mich verarscht gefühlt.» 13 Jahre später bekommt Kraaz einen Anruf von einem ehemaligen Bekannten. «Er lud mich zum dreissigjährigen Jubiläum von Scientology Basel ein.» Er geht hin – und lässt sich wieder von der Sekte mitreissen. «Ich bin sogar nach England gereist, als Tom Cruise 2004 die Tapferkeitsmedaille bekommen hat.» 2007 verlässt Kraaz sogar Ehefrau und Sohn für Scientology. Eine Entscheidung, die er heute zutiefst bereut. «Irgendwann habe ich immer mehr Zweifel bekommen und gemerkt, dass es immer nur ums Geld ging.» 2009 steigt er endgültig aus – hoch verschuldet und ohne Job: «Scientology hat mich 160 000 Franken gekostet.»

* Name der Redaktion bekannt

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