Was bedeutet Glück für Sie?
Lucrezia Meier-Schatz: Glück ist, die Freiheit zu haben nachzudenken, zu überlegen, wohin die eigene Reise geht.
Ingrid Deltenre: Meine berufliche Neuorientierung hat mit dieser Frage zu tun. Glück heisst: Man weiss, was man will, und man hat das Gefühl, dass man es selbst erreichen kann. Mit weitestgehender Selbstbestimmung nähert man sich dann diesem Glück.
Doris Aebi: Glück ist relativ und individuell. In jedem Alter hat es eine andere Dimension. In meiner Lebensphase macht mich der Erfolg meiner Firma glücklich – und Zeit zu haben für die Familie, den Garten und dafür, etwas selbst zu nähen.
Nadja Schildknecht: Mit sich selbst im Einklang sein, das macht glücklich. Ich bin sehr glücklich, dass ich meinen Sohn Léon habe, aber ebenso glücklich macht mich, dass ich mir die Freiheit nehmen konnte, beruflich weiterhin tätig zu sein. Mein anderes Baby ist das Zürcher Filmfestival.
Danielle Lanz: Mich kann man schon mit ganz kleinen Dingen glücklich machen, zum Beispiel mit schwarzer Schokolade … aber nicht zu viel davon! Das grösste Glück in meinem Leben besteht darin, dass ich meine Leidenschaft, das Kreative, das Gestalterische und die Kommunikation zu meinem Beruf machen konnte.
Und was bedeutet es heute, emanzipiert zu sein?
Lucrezia Meier-Schatz: Das Recht, sein Leben selbst zu gestalten. Die Freiheit, auf einen Teil seiner Erwerbsmöglikeit zu verzichten, weil man Zeit für andere Dinge haben will.
Danielle Lanz: Dass ich ein emanzipierter Mensch bin, bedeutet, dass ich mich nicht an Rollenerwartungen halten muss.
Ingrid Deltenre: Wir sind punkto Emanzipation schon vorangekommen. Wenn wir uns aber den Frauenanteil in Kaderpositionen anschauen, sehen wir, dass bei der Selektion und Beurteilung von Frauen immer noch andere Kriterien angewendet werden als bei Männern.
Sie beschäftigen sich beruflich mit Kaderselektion, Frau Aebi. Wie siehts da aus?
Doris Aebi: Die Schweiz ist eines der Länder mit der höchsten Erwerbstätigkeit von Frauen – in Teilzeitarbeit! Aber die Teilzeitarbeit ist in unserem Verständnis nicht kompatibel mit obersten Leitungsfunktionen. Das hat sehr viel mit kulturellen Vorstellungen, mit Werten zu tun. Mit der Frage: Wie stark lassen sich Aufgaben auch im obersten Management teilen?
Frau Deltenre, was haben Sie beim Schweizer Fernsehen unternommen, um Frauen in Toppositionen zu hieven?
Ingrid Deltenre: Als Erstes habe ich sofort die Gleichstellungsstelle gestrichen. Wir brauchten sie ganz einfach nicht. Das gab natürlich viel zu reden. Ich sagte: Wenn wir einen Fall haben, bei dem der Lohn diskriminierend angesetzt ist, dann ändere ich das. Einen solchen Fall gab es nie. Und noch was: Ich glaube nicht an Teilzeit im Topkader. Wenn ich schaue, wie ich heute arbeite, dann muss ich sagen: Beides zu haben – Job und Kind –, liegt nicht drin.
Frau Meier-Schatz, das muss Sie erschrecken. Redet so nur eine Frau, die keine Kinder hat?
Lucrezia Meier-Schatz: Natürlich liegt beides drin! Es gibt sehr viele Topkader, die Zeit für die Politik oder Lehraufträge haben. Da hinterfragt man das ja auch nicht. Man hinterfragt es nur, wenn der Mitarbeiter kommt und Zeit für die Erziehung will. Erziehungszeit hat offensichtlich einen anderen gesellschaftlichen Wert als andere Aufgaben.
Frau Deltenre, Sie haben sich schon ganz früh für ein Leben ohne eigene Kinder entschieden.
Ingrid Deltenre: Das war für mich immer schon klar. Ich habe Kids sehr gerne, bin auch Gotte, aber ich habe mich im Alter von 18 Jahren gegen die Mutterrolle entschieden. Daran hat sich nichts geändert. Ich hatte schon früh Vorbilder, zum Beispiel die Affenforscherin Jane Goodall.
Frau Aebi, stimmt es, dass Firmen Erziehungsarbeit gering schätzen?
Doris Aebi: Die Leute denken schon sehr traditionell. Die Gesellschaft weist der Frau immer noch den höheren Stellenwert in der Kinderbetreuung zu. Und Kinderbetreuung schaut man als etwas weniger gut Organisierbares an.
Nadja Schildknecht: Aber es ist auch wirklich nicht so einfach! Wenn ich Bewerbungen bekomme und eine Frau dabei ist, die Kinder hat, dann kommt diese Bewerbung schon fast auf den Stapel: «Nichts für uns.» Wir brauchen Leute, die Energie haben, Zeit haben. Ich weiss, dass das eigentlich total unfair ist. Schliesslich geht es bei mir ja auch.
Wie haben Sie das eingerichtet, Frau Lanz? Kommen Bewerbungen von Leuten mit Kindern auch auf den Stapel «Leider nein»?
Danielle Lanz: Wenn eine Firma einen Topkader sucht und zwei gleich gute Bewerber hat, der eine betreibt aber noch Spitzensport, da stellt sich auch die Frage, wie viel kann der oder die noch machen?
Ingrid Deltenre: Wenn ich schaue, wie man heute im Topmanagement arbeiten muss, dann ist es einfach unmöglich, daneben noch Kleinkinder zu betreuen – zu dieser Erkenntnis muss man stehen! Es ginge, wenn der Mann der Hausmann wäre und diese Aufgaben übernimmt.
Frau Schildknecht, wer betreut Ihr Kind, wenn Sie auswärts arbeiten?
Nadja Schildknecht: Wenn ich daheim bin, dann will ich voll und ganz mein Kind geniessen. Anfangs hatte ich das Gefühl, ich könnte zu Hause nebenher auch noch ein wenig arbeiten. Das geht aber nicht. Ich habe jemanden, der für Léon da ist. Und auch das Grossmami ist sehr bereit, ihn zu hüten.
Ist der Kinderwunsch immer noch Jobkiller Nummer eins?
Doris Aebi: Es ist eine Frage der Organisation und der gesellschaftlichen Werte. Daran müssen wir arbeiten: diese Werte zu verändern. Frau Deltenre ist doch das beste Beispiel. Dank der Tatsache, dass sie an der Spitze ist, hat sie Frauen angezogen. Das erzeugt eine Sogwirkung. Nach dem Motto: «Wow, Frau Deltenre hat das geschafft. So etwas will ich auch schaffen können!»
Die Realität ist: Frauen mit Familie leiden unter der Mehrfachbelastung. Das ist Stress, Frust, Unglücklichsein.
Doris Aebi: Das bestreite ich gar nicht. Gerade deshalb müssen wir das Denken, die kulturellen Werte und die organisatorischen Rahmenbedingungen ändern. Aber wenn wir immer sagen, das geht nicht, dann treten wir an Ort. Es gibt beispielsweise eine neue Kinderkrippe am Paradeplatz, die von zwei Bankerinnen aufgebaut worden ist. Dort können sich Banker mit ihren Kindern zum Mittagessen treffen. Man muss kreativ sein in diesem Bereich.
Lucrezia Meier-Schatz: Fakt ist aber auch, dass drei Viertel aller Akademikerinnen kinderlos sind. Nur noch eine von vier entscheidet sich für ein Kind.
Sind Frauen anspruchsvoller und haben deswegen mehr Mühe, ihr Glück zu finden?
Danielle Lanz: In einem Aspekt sicher. Ich will mal einen Test machen (in die Runde): Welcher Mann hier im Saal verdient weniger als seine Frau?
Bitte etwas Licht im Saal! Zählen wir mal … Es ist relativ einfach: keiner.
Danielle Lanz: Damit ist der Beweis wieder einmal erbracht: Männer orientieren sich in diesem Punkt immer gegen unten. Eine Frau, die in einer Topposition ist, hat also nicht viel Auswahl, denn die Männer akzeptieren es ja nicht, wenn sie mehr verdient.
Diese Debatten finden unter dem Titel «SonntagsBlick Argumente» statt. Eventsponsor: Kuoni.
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