Ex-Kapuzinerchef deckte jahrelang den Kindesmissbraucher Pater Joël
Ausgerechnet! Vertuscher ist Pädo-Experte der Kirche

Ephrem Bucher (73), Ex-Chef des Kapuzinerordens, hat jahrelang seinen pädophilen Ordensbruder Pater Joël gedeckt. Jetzt sitzt er im Fachgremium der Kirche, das sexuelle Übergriffe aufdecken und verhindern soll.
Publiziert: 14.02.2017 um 23:56 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 18:54 Uhr
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Pater Ephrem Bucher im Büro der Pfarrei Mels.
Foto: Laurent Grabet
Laurent Grabet und Andreas Dietrich

Die katholische Kirche hat schnell auf die Enthüllungen von Missbrauchs-Opfer Daniel Pittet (57) reagiert, über die BLICK in den letzten Tagen ausführlich berichtet hat. Am Montag teilten Bischofskonferenz, die Diözese Genf, Lausanne und Freiburg sowie der Kapuzinerorden mit, dass man «die Fehler zutiefst bedauert, welche damals begangen wurden». Zudem wurden Untersuchungen in Aussicht gestellt zur möglichen Beteiligung weiterer Personen ausser des pädophilen Priesters Pater Joël (76). Selbst Papst Franziskus zeigte sich erschüttert und bat im Namen der Kirche um Vergebung. 

Mehr Zeit hingegen liess sich die Kirche mit der Einsetzung einer Kommission, die sich des heiklen Themas annehmen soll. Anfang 2014 wurde sie in Aussicht gestellt – erst drei Jahre später hat sich das von den Schweizer Bischöfen eingesetzte «Fachgremium Sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld» konstituiert. Es besteht aus rund zehn Mitgliedern, Kirchenvertretern wie weltlichen Experten.

Als Kapuziner-Chef nicht eingeschritten

Und jetzt das: Einer der soeben eingesetzten Experten ist ausgerechnet Pater Ephrem Bucher. Der 73-Jährige hat in seiner Zeit als Chef der Kapuziner nichts unternommen, um das Treiben des pädophilen Ordensbruders Pater Joël zu stoppen – obschon ihm dieses bekannt war. Überdies hatte Bucher mit ihm in seiner Jugendzeit ein Jahr im selben Priesterseminar verbracht. 

Pater Joël, der in hohem Alter nun selber zugibt, 40 Kinder sexuell missbraucht zu haben, wurde für seine Taten nie zur Rechenschaft gezogen. Einzige Unbill für ihn war eine Verurteilung in Frankreich zu zwei Jahren Gefängnis – bedingt. Unter anderem, weil er seinen Neffen missbraucht hatte. Die Kapuziner stellten ihn lediglich von pfarramtlichen Tätigkeiten frei.

Bucher hält sich für bestens qualifiziert

Der Luzerner Bucher, der heute als sogenannter Guardian über die Geschicke des kleinen Kapuzinerklosters Mels SG wacht, räumt «Versäumnisse bei der Aufarbeitung dieser Angelegenheit» ein. «Wären wir Kapuziner anders vorgegangen, hätte sich viel Leid vermeiden lassen.» Doch statt Pater Joël den weltlichen Behörden zu übergeben, versetzten ihn die Kapuziner von einem Ort zum andern. Der Orden regelte alles quasi in der Familie. «Wir dachten nicht, die Sache ziehe solch weite Kreise», sagt Bucher.

Und jetzt sitzt ausgerechnet dieser Mann im Expertengremium der katholischen Kirche, das sexuelle Übergriffe an Kindern aufdecken und verhindern soll. Findet er das richtig? Daran lässt Bucher keinen Zweifel, als ihn BLICK in seinem Kloster besucht. «Ich habe eine umfassende Ausbildung zu Fragen rund um Pädophilie absolviert und weiss dank dem Fall von Pater Joël, welche Fehler man nicht machen darf», sagt er.

Bischof Morerod: «Das war uns nicht bewusst» 

Etwas anders sieht dies Charles Morerod (55), Präsident der Schweizer Bischofskonferenz. Gegenüber BLICK räumt er ein: Zum Zeitpunkt der Ernennung seien sich seine Kollegen und er «nicht bewusst gewesen, wie weit Ephrem Bucher an der lückenhaften Aufarbeitung des Falls von Pater Joël beteiligt gewesen» sei. Im Nachhinein würde der Präsident der Bischofskonferenz Pater Bucher nicht mehr ernennen.

Allem Anschein nach hoffen auch andere Schweizer Bischöfe, Ephrem Bucher werde aus freien Stücken demissionieren. Doch der Angesprochene scheint diesen Schritt nicht tun zu wollen.

500’000 Franken für die Opfer

Aufgabe der Pädophilen-Kommission ist die Beratung der Bischöfe zum Thema sexuelle Übergriffe in der Kirche, die Mithilfe bei der Aus- und Weiterbildung von Priestern oder auch die Prüfung von Gesuchen um finanzielle Genugtuung von Opfern.

Die Genugtuungssumme variiert je nach Schwere des Falls. Beträge von bis zu 10’000 Franken und in sehr schweren Fällen bis 20’000 Franken sind möglich. Der Genugtuungsfonds ist mit einer halben Millionen Franken dotiert.

Im vergangenen Dezember hatte die Bischofskonferenz bekannt gegeben, dass zwischen 2010 und 2015 insgesamt 223 Fälle von sexuellem Missbrauch bekannt geworden seien. Im selben Zeitraum seien 204 Täter gezählt worden, Priester, Theologen oder kirchliche Mitarbeiter. Für 2016 sind die Zahlen noch nicht bekannt.

Opferhilfe ist skeptisch 

Die Reue und Selbstkritik, mit der die katholische Kirche in Sachen Pädophilie derzeit an die Öffentlichkeit tritt, überzeugt nicht überall. So ist die Vize-Präsidentin der Vereinigung Sapec, die Opfer von pädophilen Kirchenleuten vertritt, sehr skeptisch. «Ich glaube nicht, dass die Kirche wirklich Licht in dieses dunkle Kapitel bringen will», sagte Marie-Jo Aeby gestern dem Westschweizer Radio. Daran ändert auch nichts, dass der Papst mit seinem Vorwort höchstpersönlich den Segen zum Enthüllungsbuch von Pädophilie-Opfer Daniel Pittet gegeben hat.

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