Mit Sturmhauben auf dem Kopf und Pistolen in der Hand stürmten Agenten des russischen Geheimdiensts FSB vor knapp zwei Wochen eine Wohnung in einem Plattenbau in dem russischen Städtchen Wjasma, gut 200 Kilometer westlich von Moskau. Es ist das Daheim von Swetlana Dawydowa, ihrem Mann Anatoli Gorlow sowie sieben Kindern.
Die Wohnung wurde durchsucht, Computer, weitere elektronische Geräte, Dokumente und das Tagebuch Dawydowas beschlagnahmt. Die gelernte Kauffrau und mehrfache Mutter wurde von den vermummten Männern festgenommen und nach Moskau gebracht, wo sie sich seither in U-Haft befindet. Sie wird des Landesverrats verdächtigt, worauf in Russland lokalen Medien zufolge bis 20 Jahre Haft stehen. Dies wurde in den vergangenen Tagen publik.
Militärstützpunkt gegenüber überraschend leer
Dawydowas «Verbrechen»: Sie zweifelte an Russlands offiziellen und trotz gegenteiliger Beweise hartnäckigen Beteuerungen, nicht in den Krieg im Osten der Ukraine involviert zu sein. Denn im vergangenen April war ihr aufgefallen, dass der Militärstützpunkt gegenüber ihrer Wohnung plötzlich verwaist zu sein schien. Ausserdem lauschte sie im Bus Telefongesprächen von Soldaten mit ihren Vorgesetzten. «Es ging um Männer vom Militärnachrichtendienst», sagt ihr Mann Anatoli zum «Spiegel». «Sie wurden in Zivilkleidung nach Moskau beordert, auf eigene Rechnung. Die Rede war von Waffen, die sie vor Ort bekommen sollen.»
Die Beobachtungen liessen der laut regierungskritischen Medien 36- oder 37-Jährigen keine Ruhe. Sie meldete sich telefonisch bei der ukrainischen Botschaft und schilderte, was sie gesehen hatte.
Sie habe dies nicht getan, «um Russland zu schaden, sondern weil sie den Krieg hasst», sagt Ehemann Anatoli. Er muss sich nun vorerst alleine um die sieben Kinder – drei davon aus einer früheren Ehe Gorlows – kümmern. Ein Gericht setzte die Dauer der U-Haft auf knapp zwei Monate fest.
20'000 Unterschriften gesammelt
Die Verhaftung Dawydowas, die sich nach der Geburt ihres jüngsten Kindes vor rund zwei Monaten gerade im Mutterschaftsurlaub befand, löste bei Menschenrechtlern einen Sturm der Entrüstung aus. Bei einer Online-Petition der «Nowaja Gaseta» sind bis Sonntagnacht über 20'000 Unterschriften zusammengekommen. Sie fordert Russlands Präsident Wladimir Putin auf, Gnade walten zu lassen.
Auch der russische Abgeordnete Dmitri Gudkow kritisierte das Gebaren des Geheimdiensts. «Eine Mutter soll hinter Gitter, weil sie Gerüchte verbreitet – das ist reine Willkür», sagte er. (lha)