Von «illegal» bis «Schritt nach vorne»
Gemischte Reaktionen nach Flüchtlingspakt mit der Türkei

Der Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei ist europaweit auf ein zweigeteiltes Echo gestossen. Führende Politiker zeigten sich am Samstag erleichtert. Die UNO mahnte, die Menschenrechte einzuhalten. Scharfe Kritik kam von Amnesty International (AI).
Publiziert: 19.03.2016 um 17:33 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 09:25 Uhr
Der türkische Premierminister Ahmet Davutoglu gemeinsam mit dem Gipfelpräsidenten Donald Tusk und der europäische Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nach dem EU-Gipfel in Brüssel.
Foto: Virginia Mayo

Die Vereinbarung sieht unter anderem vor, dass Flüchtlinge, die illegal nach Griechenland übersetzen, künftig in die Türkei zurückgeschickt werden können.

«Zum ersten Mal in dieser Krise haben wir meiner Meinung nach einen Plan, der, wenn man ihn richtig und in vollem Umfang umsetzt, etwas bewirken könnte», sagte der britische Premierminister David Cameron. Die Vereinbarung könne das Geschäftsmodell der Menschenschlepper sprengen.

Ähnlich äusserte sich der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte. «Dies ist ein wichtiger Schritt, um die gefährliche und ungeregelte Überfahrt zwischen der Türkei und Griechenland zu beenden. Hoffentlich erweisen sich diese Absprachen als Durchbruch.» Italiens Aussenminister Paolo Gentiloni lobte, das Abkommen bedeute «einige Schritte nach vorn».

Litauen sieht Abkommen als «Teillösung»

Zurückhaltender zeigte sich Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite. Zwar betonte sie: «Die Schliessung der türkischen Route ist sehr wichtig.» Doch handle es sich noch immer um eine «Teillösung», die es wie viele andere noch umzusetzen gelte. Entscheidend sei dabei der Schutz der EU-Aussengrenze.

Auch Kritiker einer Verteilung von Flüchtlingen über die EU-Staaten zeigten sich zufrieden. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban sprach am Freitagabend in Brüssel von einem politischen Erfolg. Nun sei «die grösste Gefahr gebannt», weil Quoten zur Aufnahme von Flüchtlingen beim Gipfel kein Thema waren.

Auch Rumäniens Staatsoberhaupt Klaus Iohannis sagte: «Ich möchte betonen, dass die heutigen Beschlüsse keine neuen (Flüchtlings-)Quoten einführen, keine zusätzlichen Quoten für Rumänien.»

Scharfe Kritik von Italiens Abgeordneten

Allerdings gab es auch heftige Kritik an der Vereinbarung der 28 EU-Staats- und Regierungschefs mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu. Europa verhandle über Werte, die vorher selbstverständlich gewesen seien, sagte die Präsidentin des italienischen Abgeordnetenhauses, Laura Boldrini, nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa.

«Europa war ein moralischer Kompass und heute steht diese Rolle zur Diskussion», sagte sie. Das Abkommen werde den Praxis-Test nicht bestehen.

Amnesty bezeichnet Deal als «illegal und unmoralisch»

Amnesty kritisierte die Gipfelbeschlüsse als rechtswidrig. «Die Türkei ist für Flüchtlinge und Migranten kein sicheres Land, und jeder Rückführungsprozess, der darauf basiert, ist fehlerhaft, illegal und unmoralisch», teilte die Menschenrechtsorganisation mit.

Ähnliche Vorwürfe erhoben andere Nichtregierungsorganisationen. Loris De Filippi, Präsident von Ärzte ohne Grenzen Italien, warf den Politikern vor, sie hätten «komplett den Kontakt zur Realität verloren». Die Vereinbarung sei zynisch.

Die UNO forderte die Türkei und die EU auf, bei der Umsetzung ihrer Vereinbarungen das Grundrecht auf Asyl weiterhin zu gewährleisten. Dazu gehöre das Recht, gegen Entscheidungen Berufung einzulegen. (SDA/kra)

Türkei gewinnt Poker mit EU

Brüssel – Die Türkei hat sich teuer verkauft und gewonnen. Gestern schlossen die EU-Staats- und Regierungschefs mit ihr einen Pakt. Die Türkei verpflichtet sich, ab Sonntag alle Flüchtlinge, welche illegal die Ägäis überqueren, wieder zurückzunehmen. Dafür erhält das Land zwei Tranchen von je drei Milliarden Euro für die Unterbringung der Flüchtlinge. Und die EU eröffnet ein weiteres Beitrittskapitel mit Ankara, obwohl die türkische Menschenrechtspolitik immer schlimmer wird. In den letzten Tagen wurden drei kritische türkische Medien geschlossen. Die EU schaute weg.

Türkischer Ministerpräsident Ahmet Davutoglu (M.), Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Türkischer Ministerpräsident Ahmet Davutoglu (M.), Bundeskanzlerin Angela Merkel.
AFP Photo

Brüssel – Die Türkei hat sich teuer verkauft und gewonnen. Gestern schlossen die EU-Staats- und Regierungschefs mit ihr einen Pakt. Die Türkei verpflichtet sich, ab Sonntag alle Flüchtlinge, welche illegal die Ägäis überqueren, wieder zurückzunehmen. Dafür erhält das Land zwei Tranchen von je drei Milliarden Euro für die Unterbringung der Flüchtlinge. Und die EU eröffnet ein weiteres Beitrittskapitel mit Ankara, obwohl die türkische Menschenrechtspolitik immer schlimmer wird. In den letzten Tagen wurden drei kritische türkische Medien geschlossen. Die EU schaute weg.

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