Es ist ein oft besungenes Klischee, und doch so wahr: Wer es in New York schafft, schafft es überall. Wer im stinkenden, lauten und heissen Moloch nicht nur überlebt sondern triumphiert – für den ist der Rest ein Kinderspiel.
Nach den gestrigen Vorwahlen in Indiana steht fest: Erstmals überhaupt duellieren sich dieses Jahr zwei New Yorker um das höchste Amt in den USA. Hillary Clinton (68) dürfte Kandidatin der Demokraten werden, Donald Trump (69) wird die Republikaner in den Wahlkampf ums Wohnrecht im Weissen Haus führen. Am 8. November feiert New York einen von ihnen als 45. Präsidenten des Landes.
Die nächste Präsidentin – oder der Präsident – vertritt einen Staat, den die meisten Amerikaner zumindest fürchten, vor allem aber verabscheuen.
Wobei Tycoon Trump etwas mehr New Yorker ist. Er kam im Stadtteil Queens zur Welt und erwarb sein Vermögen durch Hochhäuser, die er vor allem in Manhattan errichten liess.
Ex-Senatorin und Ex-Aussenministerin Clinton, in Chicago geboren, war noch First Lady in Washington, als sie zur New Yorkerin wurde. Sie kaufte 1999 im Vorort Chappaqua ein Haus mit Umschwung – und bewarb sich ein Jahr später erfolgreich als Senatorin des US-Ostküstenstaats. Ihr diesjähriges Wahlkampfquartier hat sie im Stadtteil Brooklyn eingerichtet.
Doch längst zweifelt niemand in New York mehr daran, dass die zugezogene Clinton eine New Yorkerin ist. Denn es gilt: Wer schnell redet, schnell denkt, schnell geht – ist New Yorker.
Und das überfordert manche Amerikaner. Für sie ist die Millionen-Metropole der Inbegriff des Unamerikanischen. Ein Ort, wo die Sitten verfallen, wo es keine freien Parkplätze und ständig Stau gibt, wo Menschen in Kellern leben – und eine Wohnung im Monat rasch so viel Miete kostet wie sie im ganzen Jahr verdienen. Die Flugzeuge verspätet abfliegen, und wo ohnehin alles aussieht wie im Kino.
Nach New York gehen viele Amerikaner, um ihre Karriere anzuheizen. Sie arbeiten dort ein paar Jahre, verdienen wenig, ellbögeln sich durch – und gehen zurück nach Ohio, Florida, Indiana. Der New-York-Job auf dem Lebenslauf fördert die Karriere.
Mit zwei New Yorkern dürfte der Wahlkampf rhetorisch hochstehend, neurotisch, besserwisserisch, teuer und gnadenlos werden – wie die Stadt am Hudson River funktioniert.
Beide Lager beschäftigen in ihren Wahlkampfteams hauptsächlich New Yorker – und die müssen lernen, wie der Rest des Landes funktioniert. Wie die Menschen in Ohio, Florida und Indiana ticken. Denn dort werden die Wahlen entschieden, nicht in New York.
Präsident wird demnach jener New Yorker, der die Amerikaner ausserhalb am besten anspricht. In Umfragen sind weder Donald Trump noch Hillary Clinton sonderlich beliebt. Der Vorteil liegt derzeit beim Bauwlöwen. Er gewann gestern über 50 Prozent der republikanischen Stimmen in Indiana. Clinton aber unterlag ihrem demokratischen Widersacher Bernie Sanders.
Der kam übrigens in Brooklyn zur Welt, also mitten in New York.