Der Kosovo ist ein Auswanderungsland: Jährlich verlassen Tausende Einwohner die tief gespaltene Nation auf dem Balkan, um sich ein besseres Leben im Ausland aufzubauen.
Dass es auch umgekehrt geht, beweist der Schweizer Hotelier Andreas Wormser (59). Der ehemalige EDA-Mitarbeiter eröffnete im April 2013 das Hotel Gracanica am Rande Pristinas.
Doch nicht zum Eigennutz: Bei seinem Boutique-Hotel handelt es sich um ein multiethnisches Projekt, das die verfeindeten Völker im Kosovo vereinen soll. Aus diesem Grund hat der TV-Sender «Arte» einen Dokfilm darüber gedreht. Zwei Roma leiten mit ihm das Hotel; Serben und Albaner arbeiten dort zusammen.
Minderheit hat im Hotel das Sagen
Die ehemalige Provinz Serbiens ist schon seit 2008 unabhängig – doch noch weit weg von einem multikulturellen Staat. Das Verhältnis zwischen Serben und Albanern – den zwei grössten Volksgruppen – ist immer noch angespannt.
Doch auch eine andere Minderheit im Land hat zu kämpfen: Etwa 40'000 Roma leben im Kosovo, doch sie werden mehrheitlich ausgegrenzt und marginalisiert.
Dem möchte Wormser entgegenwirken: Deshalb haben in seinem Hotel die Roma das Sagen. «Die Idee ist, Roma eine Vorbildfunktion zu geben; dass man etwas im Leben bewirken kann», erzählt der Schweizer Hotelier dem «Deutschlandfunk».
Die Roma-Hotelchefs sind langjährige Freunde von Wormser. Hisen und Ado leiten das Gracanica schon seit 2013. Wormser lässt den beiden freie Hand.
Idee aus Frust
Nach dem Krieg im Kosovo (1998/1999) koordinierte Wormser im Auftrag des Bundes die Schweizer Aufbauhilfe im Land. Doch schnell stellte sich Frust ein: Millionen an Hilfsgeldern versickerten in korrupten Strukturen. Das Schicksal der Roma im Land gab ihm damals besonders zu denken: So entstand schliesslich die Idee für das Friedens-Hotel.
2004 musste Wormser aber vorerst vom Kosovo Abschied nehmen: Sein Einsatz endete. Mit seinen Roma-Freunden blieb er aber in Kontakt.
Die Arbeit beim EDA sei ihm schliesslich zu stark zur Routine geworden, sagt Wormser zum «Beobachter». «Es wurde langweilig.» Wormsers Wunsch, in den Kosovo zurückzukehren, sei immer stärker geworden. Doch dieses Mal wollte er nicht nur als Helfer, sondern auch als Unternehmer ins Land zurückkehren. 2009 begann schliesslich die Planungsphase für sein Hotel.
Balkanreisen liegen im Trend
«Ich wollte in die Produktion, habe mir aber nur ein Hotel zugetraut», erzählt er BLICK. Es gebe im Kosovo wenige Hotels für Touristen – die Regierung mache sehr wenig für den Tourismus.
«Balkanreisen liegen im Trend, doch der Kosovo ist noch ein Stiefkind.» Aber es gehe aufwärts. Insbesondere Gruppenreisen seien beliebt: «Kosovo ist vor allem ein Wanderland.»
Die Gäste seien begeistert von der Natur und der Gastfreundschaft: Viele kehrten ein zweites Mal zurück.
Viel Schönes – aber auch viel Schwieriges
Auch wenn es viel Schönes im Kosovo gebe, so habe er manchmal Mühe mit der Bürokratie und der Umweltverschmutzung. Auch drehe sich alles um den Konflikt zwischen den verschiedenen Völkern: «Meine Mitarbeiter verstehen sich, aber es gibt teils negative Kommentare von Aussenstehenden.»
Trotzdem sehe er seine Zukunft langfristig im Kosovo. Eine Rückkehr in die Heimat? Kaum. Wormser: «Die Schweiz ist mir zu teuer.» (maz)