Die gestrigen Aussagen des russischen Präsidenten Wladimir Putin zur Lage in Debalzewo zeigen, wie ernst er es mit den Friedensbemühungen im Ostukraine-Krieg meint: «Sicher, es ist immer blöd, zu verlieren», stichelte er gestern laut dem «Wall Street Journal» bei seinem Ungarn-Besuch gegen die Ukraine und bezog sich dabei auf die drohende Niederlage der Armee in Debalzewo. Besonders, wenn man gegen «Minenarbeiter oder Traktorfahrer von gestern» verliere. «Aber so ist das Leben. Es wird sicher weitergehen.»
Inzwischen wird berichtet, die ukrainischen Truppen würden sich aus Debalzewo zurückziehen. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko bestätigt dies. Bisher hätten vier Fünftel der Soldaten den strategisch wichtigen Ort «organisiert» verlassen, teilte er heute in Kiew mit.
Putins gestrige Aussage ist ein Schlag ins Gesicht nicht nur für Petro Poroschenko, sondern auch für die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident François Hollande und die OSZE, die seit Monaten zwischen den verfeindeten Parteien zu vermitteln versuchen.
Sie setzen auf Diplomatie statt Waffengewalt. Präsident Putin auf Provokation statt Zurückhaltung. Dabei erinnern wir uns: Putin war es, der sich noch vor weniger als einer Woche im Minsker Unabhängigkeitspalast vordrängte, um nach äusserst zähen Verhandlungen den Friedensplan zu präsentieren.
Separatisten behaupten, dem Friedensplan zu folgen
Auch die pro-russischen Separatisten interpretieren den 13-Punkte-Plan nach eigenem Gusto. Der Vormarsch in Debalzewo geschehe im Einklang mit den Minsker Vereinbarungen, sagte Separatistenführer Alexander Sachartschenko. «Dem Abkommen zufolge sollen illegale Kämpfer den Donbass verlassen. Nun, die Regierungseinheiten sind unerlaubt auf unserem Territorium, und wir entwaffnen nun diese Gruppen.»
Im von den Separatisten unterschriebenen Dokument ist unter Punkt 10 allerdings nicht von «illegalen», sondern von «ausländischen» Kämpfern und Kriegsgerät die Rede. Und nicht vom «Donbass», sondern dem «Territorium der Ukraine».
In Debalzewo schwiegen die Waffen auch gestern nicht – von einem Abzug der schweren Waffen konnte auf beiden Seiten nicht die Rede sein. Insbesondere in und um die strategisch wichtige Kleinstadt zwischen den selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk registrierte die OSZE-Beobachtermission zahlreiche Artillerie- und Raketenangriffe.
Oftmals hätten die Beobachter allerdings nicht feststellen können, ob die Geschosse abgefeuert wurden oder angeflogen kamen. Die Ukraine und die Separatisten beschuldigten sich gegenseitig, die Waffenruhe zu brechen.
Freies Geleit für Regierungstruppen?
Putin hatte gestern die Rebellen aufgefordert, abziehenden Kämpfern freies Geleit aus dem Kessel von Debalzewo zu gewähren. Die Stadt ist ein wichtiger Eisenbahnknoten. Dort sollten sich zuletzt bis zu 7000 ukrainische Soldaten befinden. Sollte der Ort tatsächlich von den Rebellen erobert werden, hätten sie eine direkte Verbindung zwischen ihren Hochburgen Lugansk und Donezk geschaffen. (lha/SDA)