Papst Franziskus (79) veröffentlicht Freitag Mittag in Rom das vielleicht wichtigste Dokument seines bisherigen Pontifikats. Es trägt den Titel Amoris Laetitia – «Die Freude der Liebe» – und beschäftigt sich mit Themen rund um Ehe und Familie. Es ist das Abschlussdokument der Bischofssynode, die im Herbst im Vatikan getagt hat. Weil es in dem Apostolischen Schreiben um Fragen geht, um die in der Kirche seit Jahrzehnten heftig gestritten wird, ist es mit grosser Spannung erwartet worden.
Katholiken, die die Ankündigung weitreichender Reformen erwartet hatten, werden beim Lesen der 325 Paragrafen wohl ein paar Mal leer schlucken müssen. An den Fundamenten der katholischen Familienlehre rüttelt der Papst nämlich nicht.
Ehe zwischen Mann und Frau als Fundament von Familie und Gesellschaft
Franziskus ruft die Gläubigen mit aller Deutlichkeit dazu auf, die Familie als die auf «Ehe gegründete Gemeinschaft» nicht zu schwächen – wer das tue, schade der Gesellschaft. Das klingt dann so: «Es wird nicht mehr in aller Klarheit wahrgenommen, dass nur die ausschliessliche und unauflösliche Vereinigung zwischen einem Mann und einer Frau eine vollkommene gesellschaftliche Funktion erfüllt, weil sie eine beständige Verpflichtung ist und die Fruchtbarkeit ermöglicht.»
Zwar müsse die Kirche die grosse Vielfalt familiärer Situationen anerkennen. Homo-Ehen kommen für Franziskus aber nicht in Frage: «Eheähnliche Gemeinschaften oder die Partnerschaften zwischen Personen gleichen Geschlechts (…) können nicht einfach mit der Ehe gleichgestellt werden», heisst es.
Junge Katholikinnen und Katholiken ermuntert er, die Ehe neu zu entdecken. In der Konsumgesellschaft sei alles da, um gekauft, besessen und konsumiert zu werden – «auch die Menschen». Wirkliche Liebe mache sich aber frei von der Konsumhaltung des Besitzens und wachse in der Ehe. «Sich einem anderen Menschen ausschliesslich und endgültig zu verpflichten, birgt immer ein gewisses Mass an Risiko und Wagnis», schreibt Franziskus. Indes sei die Weigerung, diese Verpflichtung zu übernehmen, «egoistisch, opportunistisch und kleinlich».
«Beunruhigende» Gender-Theorien
Für viel Diskussionsstoff wird der Paragraf 56 des Apostolischen Schreibens sorgen. Konservative Kirchenvertreter wie der Churer Bischof Vitus Huonder (73) werden sich darin bestätigt sehen, weil Franziskus den so genannten «Genderismus» geisselt – die Idee also, dass der Mensch letztlich selbst bestimmen kann, welches Geschlecht er annehmen will. Gender sei eine «Ideologie», die «die natürliche Aufeinander- Verwiesenheit von Mann und Frau leugne», schreibt Franziskus. Sie stelle eine Gesellschaft ohne Geschlechterdifferenz in Aussicht und höhle die anthropologische Grundlage der Familie aus. Es sei beunruhigend, dass solche Ideologien versuchten, «sich als einzige Denkweise durchzusetzen und sogar die Erziehung der Kinder zu bestimmen».
Von den Gender-Theorien schlägt Franziskus den Bogen zu den Methoden der modernen Reproduktionsmedizin, die für ihn in «Sünde» münden: Die biotechnologische Revolution habe die Möglichkeit geschaffen, den Akt der Zeugung zu manipulieren und ihn von der sexuellen Beziehung zwischen Mann und Frau unabhängig zu machen. Das menschliche Leben und die Elternschaft seien zu etwas geworden, das zusammengefügt oder getrennt werden könne – beides unterliege nun vor allem den Wünschen des Einzelnen oder des Paares. Das sei «menschliche Schwäche», der Franziskus zwar «Verständnis» entgegen bringt. Aber dieses Verständnis dürfe nicht bedeuten, «Ideologien zu akzeptieren, die beabsichtigen, die in der Wirklichkeit untrennbaren Aspekte in zwei Teile auseinanderzunehmen». Den Schöpfer ersetzen zu wollen sei eine Sünde – ein Satz, hinter den der Papst ein Ausrufezeichen setzt. «Wir sind Geschöpfe, wir sind nicht allmächtig. Die Schöpfung geht uns voraus und muss als Geschenk empfangen werden.»
Keine neuen Regeln für wiederverheiratete Geschiedene
Viel Beachtung wird das Kapitel 8 des Schreibens finden. Hier geht es um ein Problem, das in der Kirche seit langem für grosse Verwerfungen sorgt. Eine kirchliche Heirat bleibt für die Kirche gültig – egal, ob sie auf zivilem Weg aufgelöst wird oder nicht. Das führt zu Situationen, die viele Katholiken als erniedrigend empfinden: Wer zivil geschieden ist und wieder heiratet, lebt in Sünde und ist von den Sakramenten ausgeschlossen, also auch von der Kommunion.
In seinem Schreiben setzt Franzikus keine neuen Regelungen in Kraft, die an dieser Praxis im Grundsatz etwas ändern - es gebe keine Patentrezepte. Den Seelsorgern räumt er aber mehr Spielraum ein. Konkret: Wenn ein Pfarrer überzeugt ist, dass sich eine gefestigte Zweitehe durch «Treue, Hingabe und christliches Engagement» auszeichnet, soll er sich barmherzig zeigen - und die Gläubigen von der Kommunion nicht länger ausschliessen.
Aber Franziskus nimmt das sofort wieder zurück, indem er die Pfarrer an die «Erfordernisse der Wahrheit des Evangeliums» erinnert. Wenn sie schnell «Ausnahmen» genehmigen würden, bestehe die Gefahr, dass man der Kirche Doppelmoral vorwerfe.