Österreich zeigt der Schweiz, wie es geht - Minister Sebastian Kurz erklärt im BLICK seine Massnahmen
«Klare Regeln für Flüchtlinge»

Österreichs Integrations- und Aussenminister Sebastian Kurz (30) verbietet Burka und Koran-Verteilaktionen. Jeder Flüchtling muss Integrationskurse besuchen und arbeiten. Wer dagegen verstösst, erhält weniger Geld.
Publiziert: 29.03.2017 um 23:43 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 22:11 Uhr
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«Ich habe lange gekämpft für dieses Gesetz», sagt Sebastian Kurz.
Foto: Ronald Zak
Interview: Christian Dorer

Der Shootingstar der österreichischen Politik findet klare Worte: «Es gibt in ­Europa bestimmte Spielregeln, und die sind uneingeschränkt zu re­spektieren. Mit unserem Gesetz wird eine Pflicht zur Integration festgeschrieben.» Aussen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (30) ist der Vater dieses neuen ­Gesetzes. Es sieht scharfe Massnahmen vor: Burka und Koran-Verteilung werden verboten, Integra­tionskurse und Arbeit für Asylbewerber obligatorisch.

Wer dauerhaft in Österreich bleiben darf, muss die westlichen Werte akzeptieren. Deshalb hat Kurz ein Burkaverbot durchgesetzt. Er sagt: «Eine komplette ­Verschleierung steht nicht im Einklang mit unseren Grundwerten. Sie untergräbt die Gleichstellung zwischen Mann und Frau.»

BLICK hat das neue österreichische Gesetz mit den Regeln in der Schweiz verglichen. Fazit: Bei uns ist vieles Sache der Kantone oder gar der Gemeinden, was zu un­zähligen verschiedenen Lösungen führt. Könnte Österreich nun zum Vorbild für die Schweiz werden?

BLICK: Herr Minister, wollen Sie mit dem neuen Gesetz Flüchtlinge abschrecken, damit sie gar nicht erst nach Österreich kommen? 
Sebastian Kurz: Wir haben das Ziel, den Zustrom von Flüchtlingen zu reduzieren. Das erfolgt aber nicht mit dem neuen Gesetz, sondern mit der Schliessung der Westbalkanroute. Dadurch gelangen 98 Prozent weniger Menschen über diesen Weg zu uns als zuvor. Das Ziel des neuen Gesetzes dagegen besteht in der Integration derjenigen, die hierbleiben dürfen.

Welche Überlegung steckt hinter dem neuen Integrationsgesetz?
Es sollen sehr klare Spielregeln für die Integration von Flüchtlingen gelten. In den vergangenen Jahren wurden in Österreich weit über 150'000 Asylanträge gestellt – das sind mehr Anträge als Bern Einwohner hat. Wir können davon ausgehen, dass 40 bis 50 Prozent dieser Asylbewerber dauerhaft in unserem Land bleiben werden. Damit müssen wir umgehen. Ich habe lange gekämpft für dieses Gesetz. Nun bin ich froh, dass es durchgekommen ist.

Ist es ein Modell für ganz Europa und auch für die Schweiz?
Jedes Land muss für sich entscheiden, welche Regeln gut sind. Es gibt in Europa bestimmte Spielregeln, und die sind uneingeschränkt zu respektieren. Mit unserem Gesetz wird eine Pflicht zur Integration festgeschrieben. Damit stellen wir klar, dass es in Österreich und Europa eine ganz bestimmte Werte- und Gesellschaftsordnung gibt. Und diese ist von allen, die dauerhaft in unserem Land leben wollen, uneingeschränkt zu respektieren. Zudem verbieten wir Symbole einer Gegengesellschaft.

Wie zum Beispiel die Burka. Aber ist sie wirklich ein Problem?
Die Burka ist im Alltag in Österreich kein Problem, der Nikab schon. Die Anzahl Frauen, die einen Nikab tragen, ist deutlich gestiegen. Vor fünf Jahren war das noch kein Thema. Heute wird es mehr und mehr zu einem. Ich halte es für richtig, diese Symbole einer Gegengesellschaft zu verbieten. Eine komplette Verschleierung steht nicht im Einklang mit unseren Grundwerten. Sie untergräbt die Gleichstellung zwischen Mann und Frau.

Ist es nicht ein Eingriff in die Religionsfreiheit?
Die Burka ist kein religiöses Symbol, sondern das Symbol des politischen Islamismus und gehört daher verboten. Die Vollverschleierung hat bei uns definitiv keinen Platz. Sie ist ein klarer Angriff auf die Gleichstellung zwischen Mann und Frau. Das passt nicht in unser Wertesystem.

Sie verbieten auch das Verteilen des Korans. Zielen Sie damit auf Radikalisierungsnetzwerke, die Jugendliche für den Dschihad begeistern wollen?
Die Radikalisierungstendenzen haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Wir haben in Österreich rund 300 Menschen, die sich in den Irak und nach Syrien aufgemacht haben und dort mit dem IS morden und vergewaltigen. Salafisten haben in Österreich immer wieder auf öffentlichen Plätzen radikale Schriften verteilt. Mit dem Gesetz wird genau das in Zukunft verboten.

Aber reicht da das Verbot von Koran-Verteilung? Gehen diese Leute nicht einfach in den Untergrund?
Die Rekrutierung findet auf allen Ebenen statt. Auch im Untergrund, in Moscheen und im Internet. Wir kämpfen überall und auf allen Ebenen dagegen an. Wir sind auch mit der islamischen Gemeinschaft im Kontakt und arbeiten mit ihr zusammen. Gläubige Muslime, die sich klar gegen Terrorismus aussprechen, leisten einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen den politischen Islam.

Integrationskurse werden obligatorisch. Ab wann soll man Flüchtlinge integrieren?
Menschen, die im Land bleiben dürfen, müssen möglichst schnell integriert werden. Wenn hingegen jemand keine Chance hat, in Österreich zu bleiben, geht es nicht um Integration. Sondern um die schnelle Rückschaffung.

Welche Werte werden vermittelt?
Unsere Verfassung, unsere Gesetze und Grundwerte, die uns verbinden. Natürlich der Zugang zum Rechtsstaat, die Demokratie und die Gleichstellung von Mann und Frau. Wir zeigen in Werte- und Orientierungskursen unsere Spielregeln auf: Wie man sich begrüsst zum Beispiel, dass Mädchen frei sind in ihrer Partnerwahl und ob sie heiraten wollen. Es sind keine abstrakten Kurse, sondern sehr praxisbezogene.

Wer die Kurse nicht besucht, dem wird die Sozialhilfe gestrichen. Funktioniert Zwang?
Wer bei uns leben möchte – in Sicherheit, geschützt vor Verfolgung –, wer hier um Asyl bittet, der muss sich an unsere Regeln halten. Deshalb müssen diese Menschen unsere Sprache lernen und diesen Kurs besuchen. Und wer auf dem regulären Arbeitsmarkt keinen Job findet, der muss gemeinnützige Arbeit leisten und damit einen Beitrag für das Land. Wer sich verweigert, dem werden die Sozialleistungen gestrichen. Ich finde: Integration muss durch Fördern und Fordern erfolgen.

Nehmen Flüchtlinge nicht Österreichern den Job weg?
Viele Asylberechtigte finden keinen Job und beziehen Sozialleistungen. Diese sind in Österreich durchaus attraktiv. Da setzen wir mit unserem Integrationsgesetz an: Wer nicht arbeitet, erhält weniger. So werden auch Jobs im niedrig qualifizierten Bereich attraktiv. Und alle, die trotzdem keinen Job finden, leisten gemeinnützige Arbeit. Das fördert die Integration, die Menschen werden beschäftigt. Sie kommen nicht auf falsche Gedanken.

Wenn jeder eine Beschäftigung hat: Macht das Österreich nicht noch attraktiver als Asylland?
Wenn es uns nicht gelingt, die Menschen besser zu integrieren, werden die Spannungen zunehmen. Entscheidend ist aber auch, dass wir gleichzeitig den Zustrom nach Europa und nach Österreich reduzieren. Dafür kämpfe ich weiter.

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