Paul H. war am Ende. Zwei Tage vor seiner Messer-Attacke spürten die Grosseltern von Paul H.* (27), dass es nicht mehr geht. Sie wussten nicht, wie sie ihm noch helfen sollen – und entschieden sich für einen radikalen Schritt. «Wir haben die Polizei gebeten, ihn in eine Klinik einzuweisen», sagt sein Grossvater zur Münchner Zeitung «TZ». «Aber die Beamten lehnten das ab.»
Nach der Absage redeten die Grosseltern «mit Engelszungen» auf Paul H. ein und brachten ihn schliesslich in eine psychiatrische Klinik. Doch da hielt es der Technofan nicht lange aus: Er verschwand tags darauf. Noch einen Tag später stach er im Münchner Vorort Grafing wahllos auf Passanten ein. Wie konnte es soweit kommen?
Techno-Festivals und Barfuss-Schuhe
2008 schloss Paul H. seine dreijährige Lehre erfolgreich ab. Doch auf ein normales Leben hatte er offenbar keine Lust. Gemäss «TZ» reiste er um die Welt, arbeitete als Animateur in Hotels in Ägypten und Mallorca. Er bereiste Spanien, Portugal, Australien, die Niederlande, die Schweiz und die Türkei. Danach kam er in seine Heimatstadt zurück.
Er reist oft zu Goa- und Techno-Festivals, an denen Alkohol und Drogen gang und gäbe sind. Auf seinem YouTube-Kanal veröffentlicht er regelmässig Videos von seinen Reisen – er wirkt rastlos und getrieben. Geld hat er kaum. Als er in Frankfurt ankommt, sagt er in die Kamera: «Ich hab noch 10 Euro, die Fahrt kostet aber 15. Ich muss entweder schwarzfahren oder mir etwas dazuverdienen.»
Auch in der Nacht vor seinem Amoklauf soll H. nur 10 Euro bei sich gehabt haben – er konnte sich deshalb kein Hotel leisten. Seit zwei Jahren lebte Paul H. von Sozialhilfe und sammelte in seinem Städtchen Flaschen ein, um das Pfand einzulösen.
«Unser Paul ist kein Terrorist»
Paul H. reiste einfach, schlief allem Anschein nach immer wieder draussen im Schlafsack. An den Füssen trug er gerne sogenannte Barfuss-Schuhe. Ob es diese waren, in denen er vor seiner Tat Wanzen gespürt hat, ist nicht bekannt.
Das letzte Video hat er vor fünf Tagen hochgeladen. Es zeigt den Deutschen an einem sonnigen Tag beim Fischen mit einem Freund. «Der Frühling ist da, der Frühling ist da», sagt er, ansonsten nicht viel Zusammenhängendes. In einem andern Video filmt ein Kotelett auf dem Feuer zu Technomusik: «Goabeschalltes Lamm ist am besten!»
Auf einen islamistischen Hintergrund der Tat deutet auf den Sozialen Medien und im Umfeld des 27-Jährigen nach wie vor nichts hin. «Unser Paul ist kein Terrorist», sagt sein Grossvater zur «TZ».
Nun kommt Paul H. wieder in eine Psychiatrie. Der Ermittlungsrichter ordnete am Mittwoch keine Untersuchungshaft, sondern die einstweilige Unterbringung in der geschlossenen Abteilung einer Nervenklinik an. Die Staatsanwaltschaft teilte mit, dass er an einer psychischen Erkrankung leide. (rey)
* Name der Redaktion bekannt