Der einst gefürchtete Torjäger Lars Lunde sitzt gedankenversunken im Berner Stade de Suisse. Der gebürtige Däne schaut hinunter auf den Platz, auf dem er im Frühling 1986 die Young Boys zum bislang letzten Schweizer Meistertitel geschossen hat. Doch vor Lundes geistigem Auge laufen in diesem Moment nicht die überschwänglichen Jubelbilder von damals ab, Lars ist in Gedanken bei seinem väterlichen Freund Uli Hoeness. «Ich leide mit Uli», sagt er mit einer leicht zitternden Stimme.
Lunde, der nach seiner glorreichen Zeit bei YB von 1986 bis 1988 für Hoeness Bayern München gespielt hat, kann und will es nicht wahrhaben, dass «sein» Uli bald für dreieinhalb Jahre ins Gefängnis muss: «Er hat doch niemanden ermordet, er hat keinem wehgetan. Okay, Uli hat mit der Steuerhinterziehung einen Fehler gemacht, aber er hat danach ja Selbstanzeige erstattet. Nein, diese harte Strafe hat er nun wirklich nicht verdient, Hoeness hat in der Vergangenheit für so viele Menschen so viel Gutes getan.»
Für Lunde hat Uli Hoeness besonders viel Gutes getan. Obwohl sich der Nordländer bei den Bayern nie durchsetzen konnte (nach zwei Spielzeiten kehrte Lunde in die Schweiz zurück), kümmerte sich Hoeness liebevoll um Lars, nachdem dieser im Frühling 1989 bei einem Autounfall ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten hatte. «Mir ging es damals wirklich beschissen, bis mich Uli für einen Monat in sein damaliges Haus in Ottobrunn nach München geholt hat. Er hat alles getan, damit ich wieder auf die Beine komme. Ich war ein Teil von seiner Familie», erzählt Lunde.
«Seine Tochter Sabine ist zu ihrem jüngeren Bruder Florian gezogen, damit ich genug Platz in ihrem Kinderzimmer hatte. Seine starke Frau Susi hat mich wunderbar bekocht. Und Uli hat dafür gesorgt, dass ich am Vormittag bei einem hervorragenden Therapeuten in Bogenhausen meine Koordination schulen und am Nachmittag mit dem FC Bayern trainieren konnte.»
In dieser Zeit hat Lunde den Privatmann Uli kennengelernt, der nicht viel mit dem knallharten Manager Hoeness zu tun hat: «Im Hause Hoeness war die Stimmung immer sehr harmonisch. Uli war im Umgang mit seiner Ehefrau und Kindern sehr, sehr liebevoll. Wenn er gemeinsam mit seiner Familie am Frühstückstisch sitzen konnte, war er am glücklichsten.»
Lunde ist sich ziemlich sicher, dass sich Hoeness am letzten Freitag erneut mit der ganzen Familie zum Frühstück verabredet hat, um mit ihnen zu entscheiden, dass er keine Revision gegen das Urteil einlegt – und von allen Ämtern beim FC Bayern zurücktritt. «Der Gang ins Gefängnis ist für Uli kein grosses Problem, viel mehr schmerzt ihn der Abgang von seinem Verein», sagt Lunde. «Der Entzug von seinem FC Bayern ist für ihn wie der Verlust eines eigenen Kindes. Trotzdem hat er sich von sich aus zu diesem Schritt entschieden. Damit hat er einmal mehr bewiesen, dass er einen besonders starken Charakter hat.»
Für Lunde steht deshalb fest: «Ich will Uli auf jeden Fall im Gefängnis besuchen. Hoffentlich lässt er mich rein ...»
Lars Lunde, der heute in der Berner Beau-Site-Klinik als Pfleger arbeitet, feiert am nächsten Freitag seinen 50. Geburtstag. Dank der Hilfe von Uli Hoeness ist er fast wunschlos glücklich. «Uli gehört zu den schönsten Geschenken, die ich in meinem Leben erhalten habe. Ohne ihn würde es mir jetzt nicht so gut gehen.»