Freikaufen für 250'000 Euro pro Flüchtling
EU macht den Glarner!

Im Zuge der europäischen Asylrechtsreform will die EU-Kommission einen Fairness-Mechanismus einführen, um Länder mit vielen Flüchtlingen zu entlasten. Staaten, die sich nicht beteiligen wollen, können sich durch Zahlung von 250'000 Euro pro Flüchtling freikaufen.
Publiziert: 04.05.2016 um 18:16 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 05:30 Uhr
SVP-Asylchef Andreas Glarner (53) am 1. Mai 2016 in Oberwil-Lieli AG.
Foto: Joseph Khakshouri

Die Aargauer Gemeinde Oberwil-Lieli hats dieses Wochenende vorgemacht: Sie zahlt fast 300'000 Franken pro Jahr, nimmt dafür keine Asyl-Bewerber auf.

Jetzt folgt die EU dem Beispiel von SVP-Asyl-Amok Andreas Glarner. Nur wird das Freikaufen von Flüchtlingen für die Mitgliedstaaten ungleich teurer - 250'000 Euro sind pro abgelehnte Person abzuliefern.

Der neue Mechanismus werde sicherstellen, «dass kein EU-Staat mit einem unverhältnismässigen Druck auf sein Asylsystem allein gelassen wird», erklärte die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel. So sollen im Falle eines massiven Zustroms von Flüchtlingen und Migranten andere EU-Staaten dem betroffenen Land Asylbewerber abnehmen.

Das aktuell geltende Dublin-System hat seine Mängel. Es sieht vor, dass Flüchtlinge ihren Asylantrag grundsätzlich dort stellen müssen, wo sie zuerst europäischen Boden betreten. Dies führte dazu, dass Länder wie Griechenland und Italien vollkommen überlastet sind und in der Vergangenheit die Flüchtlinge ungeregelt weiterziehen liessen.

Daher soll nach dem Willen der Brüsseler Behörde der neue Mechanismus «automatisch» aktiviert werden, wenn die Zahl der Asylsuchenden eine bestimmte Schwelle im Verhältnis zur Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft übersteigt. Dazu muss die Zahl um 150 Prozent über einem festgelegten Referenzwert liegen.

Berücksichtigen will die Kommission zudem, ob Staaten direkt von ausserhalb der EU Flüchtlinge über Umsiedlungsprogramme aufnehmen. Dies soll Anreize geben, legale Wege nach Europa zu schaffen.

Sollte sich ein Staat der Aufnahme von Flüchtlingen komplett verweigern, muss er gemäss EU-Kommission 250'000 Euro pro Flüchtling bezahlen. Das Geld solle jenen Staaten zugute kommen, welche die Asylbewerber stellvertretend übernehmen. Diese «Freikaufen» gilt für zwölf Monate.

Grossbritannien, Irland und Dänemark sind wegen geltender Ausnahmeregeln nicht verpflichtet, sich an dem Mechanismus zu beteiligen.

Dem Vorschlag müssen nun die EU-Staaten und das EU-Parlament zustimmen. Dies gilt auch für Pläne der Kommission, die EU-Asylbehörde Easo zu einer eigenständigen Behörde ausbauen. Im Rahmen einer «Notfall-Intervention» soll diese gegen den Willen eines EU-Staates eingreifen können, wenn etwa die Asylverfahren nicht mehr sichergestellt sind, Empfehlungen der Kommission nicht umgesetzt und Hilfsangebote verweigert werden.

Asylbewerber sollen ihrerseits rechtlich stärker verpflichtet werden, in dem zugewiesenen Land zu bleiben, um «Asyl-Shopping» - also Anträge in mehreren Ländern - zu unterbinden. Dazu soll die EU-Datenbank Eurodac ausgebaut werden. Darin werden die Fingerabdrücke von Personen gespeichert, die in einem Dublin-Staat ein Asylgesuch einreichen oder bei der illegalen Einreise aufgegriffen werden.

Die Diskussionen vor allem auch über den Fainess-Mechanismus dürften schwierig werden. Schon im vergangenen Jahr bei der einmaligen Verteilung von insgesamt 160'000 Flüchtlingen stritten sich die EU-Staaten heftig.

Postwendend reagierten denn am Mittwoch auch Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei auf den Vorschlag der EU-Kommission. Er frage sich, ob die Kommission das wirklich ernst meine, sagte der polnische Aussenminister Witold Waszczykowski in Prag. Sein tschechischer Kollegen Lubomir Zaoralek sprach von einer unangenehmen Überraschung, während der ungarische Aussenminister Peter Szijjarto die Quoten-Vorschläge als Erpressung verurteilte.

Der slowakische Innenminister Robert Kalinak, dessen Land gegen die im letzten Jahr beschlossene Flüchtlingsverteilung beim EU-Gerichtshof bereits Klage eingereicht hat, nannte den Kommissionsvorschlag realitätsfern.

Würden sich die EU-Staaten und das EU-Parlament dereinst auf neue Dublin-Regelungen einigen, müsste die Schweiz diese übernehmen. Denn sie nimmt via Dublin-Abkommen zum Teil an der EU-Asylpolitik teil.

Laut dem Staatssekretariat für Migration (SEM) nimmt die Schweiz die Vorschläge der Kommission mit Interesse zur Kenntnis. «Die Stossrichtung der Reformvorschläge entspricht dem, was die Schweiz bislang immer gefordert hat.»

Dazu gehören laut SEM der Ausbau der Datenbank Eurodac, der die «Bekämpfung der irregulären Sekundärmigration und die effiziente Durchführung der Rückkehrpolitik» verbessere. Auch befürworte man «weiterführende Diskussionen um einen langfristigen Verteilmechanismus». Bundesrätin Simonetta Sommaruga hatte bereits früher betont: «Ein Verteilschlüssel ist auch in unserem Interesse.» (SDA)

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