Francesco B. hatte nur eine Mittelohr-Entzündung
Guru liess Buben (†6) sterben

Der Junge aus Cagli (I) hätte mit Antibiotika gerettet werden können. Doch Sekten-Arzt und Eltern liessen die Medikamente nicht zu.
Publiziert: 01.06.2017 um 21:07 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 06:00 Uhr
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Francesco B. (6) starb an einer Mittelohr-Entzündung.
Foto: zvg
Myrte Müller

Francesco B. aus Cagli (I) durfte nur sechs Jahre alt werden. Er musste sterben, weil der «Hausarzt» und seine Eltern eine medizinische Versorgung boykottierten. Die Tragödie erschüttert ganz Italien. Viele fragen: «Was kann der kleine Francesco dafür?»

Alles beginnt vor zwei Wochen. Francesco B. fängt sich eine Mittelohr-Entzündung ein. Kein Problem normalerweise. Das passiert oft bei Kindern.

Doch die Eltern des Buben gehen Massimiliano M. (54) auf den Leim. Der Römer mit Wohnsitz im Schweiz-italienischen Grenzgebiet Varese ist zwar Arzt, aber auch Mitglied der ultrareligiösen Sekte Brennender Dornenbusch und fanatischer Gegner der Schulmedizin.

Francesco bekam mysteriöse Tropfen

Er verbietet Marco und Maristella B. die medizinische Versorgung ihres Kindes, gibt dem Buben mysteriöse Tropfen. Francesco geht es zunehmend schlechter. Er hat hohes Fieber, reagiert nur noch apathisch.

Als der Junge am vergangenen Dienstag ins Koma fällt, alarmieren die Eltern dann doch den Notarzt. Während die Sanitäter hastig den kleinen Patienten für die Ambulanz vorbereiten, meldet sich der Sekten-Guru mit dem Handy und mahnt: «Versorgt ihn Zuhause, gebt ihm keine Antibiotika!»

Der Notarzt reagiert dennoch. Francesco wird mit Blaulicht ins nächst gelegene Krankenhaus gefahren – dann weiter ins Kinderspital von Ancona. Das Rennen auf Leben und Tod verliert der kleine Junge. 

Auch eine Not-OP konnten den Kleinen nicht mehr retten

Nach einer verzweifelten Notoperation stirbt Francesco B. – an den Folgen einer ordinären Mittelohr-Entzündung. 

Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung. Der Guru-Arzt Massimiliano M. und Francescos Eltern, beide Kaufleute, wurden festgenommen, sämtliche Smartphones und Computer beschlagnahmt. 

Massimiliano M. ist kein Unbekannter. Der Mediziner, der nicht im Ärzteregister eingetragen war, jobbte in Varese im Lager eines Supermarktes. Dann gab er sich als Naturheiler aus.

Ein winziger Trost begleitet die Trauergemeinde gestern bei Francescos Beerdigung in Cagli: Mit seinen Organspenden konnte der Bub drei Kindern das Leben retten.

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