Der Migrationsdruck an der Schweizer Südgrenze bleibt hoch. Aktuelle Zahlen des Grenzwachtkorps (GWK) zeigen: Seit Anfang Jahr verzeichneten die Grenzwächter über 7300 rechtswidrige Aufenthalte. Sie griffen Personen auf, die keine gültigen Papiere hatten und sich nicht in der Schweiz aufhalten durften. Zum Vergleich: Im Vorjahr wurden in derselben Zeit rund 5500 rechtswidrige Aufenthalte verzeichnet, im Jahr davor gar nur 3300. Aus der aktuellen Statistik des GWK geht auch hervor: Die Personen stammten vor allem aus westafrikanischen Staaten wie Guinea, Gambia oder der Elfenbeinküste.
In den meisten Fällen wurden die Personen an die Behörden in Italien übergeben. Das passiert dann, wenn jemand in der Schweiz kein Asylgesuch stellen, sondern weiter nach Deutschland will.
Das Bild an der Schweizer Südgrenze passt zur Situation im südlichen Italien und im Mittelmeer. Dort registriert die Uno-Flüchtlingsorganisation (IOM) seit Anfang Jahr eine starke Zunahme der Migration. 3 6 000 Flüchtlinge gelangten seit Januar über die gefährliche Mittelmeerroute nach Italien. Zum Vergleich: Im Jahr zuvor waren es im selben Zeitraum nur 27000 Personen.
Auf ihrer Reise in Richtung Norden nehmen die Flüchtlinge fast immer die Dienste von Schleppern in Anspruch. Dies schreibt das Bundesamt für Polizei (Fedpol) in seinem aktuellen Jahresbericht und schätzt: Rund 90 Prozent aller Migranten gelangten mit Hilfe von Schleppern nach Europa und schliesslich in die Schweiz.
Die Preise der Schlepper haben sich vervielfacht
Dabei beobachtet das Fedpol einen unmenschlichen Trend: Die Preise der Schlepper haben sich in den letzten Monaten vervielfacht: Gemäss der Europäischen Polizeibehörde Europol wurden Ende 2015 zwischen 2000 und 5000 Euro für den Transit von Nordafrika nach Mitteleuropa bezahlt. «Im Jahr 2016 verlangten die Schlepper 3000 Euro für nur einen Teil der gleichen Route.» Auch an der Schweizer Grenze werden regelmässig Personen festgehalten, weil sie verdächtigt werden, als Schlepper tätig zu sein: «Seit Dezember konnte das GWK vermehrt mutmassliche Schlepper anhalten», sagt David Marquis von der Eidgenössischen Zollverwaltung.
Insbesondere im Tessin stelle man aktuell eine erhöhte Schleppertätigkeit fest. Gemäss GWK-Statistik wurden seit Anfang Jahr bereits 80 Personen unter Schlepperverdacht angehalten – vor allem Italiener, Franzosen oder Schweizer. Erst letzte Woche wurde ein 48-jähriger Italiener in Basel zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, weil er Flüchtlinge per Kleinbus durch die Schweiz fuhr.
In diesem Jahr auf der Mittelmeerroute bereits 900 Tote
Journalist und Migrationsexperte Mark Micallef (38) aus Malta hat im Auftrag der in Genf angesiedelten NGO Global Initiative die aktuellen Entwicklungen beim Menschenschmuggel durch Nordafrika recherchiert. Drehkreuz für die Schleuser bildet dabei das Bürgerkriegsland Libyen.
Dort kämpfen seit dem Sturz von Diktator Gaddafi bewaffnete Milizen um die Vorherrschaft im Land. Flüchtlinge auf dem Weg nach Norden werden von ihnen gnadenlos ausgebeutet. Micallef fand heraus: Wer kein Geld hat, um die Schlepper zu bezahlen, muss die Gebühr für die Überfahrt abarbeiten. Männer auf dem Bau oder in der Landwirtschaft, Frauen durch Prostitution. Migranten werden in Fabrikhallen festgehalten, bis sie die gefährliche Überfahrt in Schlauchbooten antreten können. Am Ende verlieren viele von ihnen dabei ihr Leben. Allein auf der zentralen Mittelmeerroute waren es in diesem Jahr bereits 900.