Die Bilder sind sehr aussagekräftig. In Wohnungen und Vereinslokalen landauf, landab sind die Anhänger des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan daran, Stimmen für seine Alle-Macht-für-mich-Verfassung zu sammeln.
Einer der wichtigen Einpeitscher in der Schweiz ist Murat Sahin. Sahin ist Präsident der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), eines Vereins mit Sitz in Spreitenbach AG (BLICK berichtete). Gemäss Statuten will die Union die schweizerisch-türkischen Beziehungen und «die Erhaltung von Kulturwerten» fördern.
Er will den Ein-Mann-Staat
Zurzeit fördert Sahin vor allem den Umbau der türkischen Republik in einen Ein-Mann-Staat. Mit der neuen Verfassung soll die Türkei nämlich zu einem Staat umgebaut werden, in dem alle Macht beim Präsidenten liegt.
Damit wird im Nachhinein legitimiert, was Erdogan mit dem Ausnahmezustand nach dem Putsch schon erreicht hat: Wer gegen den Präsidenten aufmuckt, muss mit ernsthaften Folgen rechnen. Erdogan lässt missliebige Journalisten, Beamte und Militärs einkerkern. Aus einer Demokratie ist eine Demokratur geworden.
Sahin, so zeigt sein Twitter-Account, hat sich ganz der Kampagne der islamistischen Partei Erdogans, der AKP, verschrieben. Ganz offen publiziert er Bilder davon, wie er Türkinnen und Türken in der Schweiz auf die Linie Erdogans einschwört. Etwa in Bern, in Zürich oder in Lausanne. Auffallend: Alle Frauen tragen Kopftücher, und meist finden die Meetings im privatem Rahmen statt.
11. Februar Lausanne
12. Februar in Zürich
28. Februar in Bern
Wie ein Groupie prahlt Sahin mit Bildern von seinen Treffen mit türkischen Ministern. Aussenminister Mevlüt Cavusoglu traf er im Januar in Genf, als dieser zu Gesprächen über Zypern anreiste. Sahin war auch dabei, als der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim in Oberhausen im deutschen Ruhrgebiet vor Tausenden Deutsch-Türken für die neue Erdogan-Verfassung warb.
Gemäss «Tages-Anzeiger» schwor Sahin nach dem Putschversuch im Sommer Erdogan auf Facebook seine bedingungslose Treue: «Solange ich atmen kann, werde ich mit meinem ganzen Dasein dort stehen, wo du mir befiehlst und zusammen mit dir auf diesem Weg kämpfen.» Sahin sei das Bindeglied zwischen der Schweiz und der Türkei.
Noch im letzten Juli hetzte UETD-Chef Sahin gemäss der Zeitung an einer Kundgebung vor dem türkischen Konsulat in Zürich öffentlich gegen Erdogan-Kritiker. «Ihr Terroristen von Fetullah Gülen, euer Ende ist gekommen! Nun gibt es kein Loch mehr, in dem ihr euch verstecken könnt», habe er ins Mikrofon geschrien.
Im März 2016 lud der Verein zu einem Kongress ins Zürcher Viersternehotel Dorint. Als Stargast trat der türkische Kolumnist Cem Kücük auf, ein Erdogan-treuer Hassprediger. Ende 2015 drohte Kücük in einem Artikel dem populären türkischen Journalisten Ahmet Hakan: «Wenn wir wollen, können wir dich wie eine Fliege zerquetschen. Du bist nur noch am Leben, weil wir bislang Mitleid mit dir hatten.» Kurz darauf wurde Hakan gemäss «Tages-Anzeiger» vor seinem Haus verprügelt.
Bisher gingen Türkei-Spezialisten davon aus, dass Erdogan im Abstimmungskampf keine Stimmen aus der Schweiz braucht. Die Mehrzahl der 90’000 in der Schweiz lebenden wahlberechtigten Türken sympathisiert mit der kurdischen Oppositionspartei HDP. Offenbar braucht der Sultan für seinen Ein-Mann-Staat nun alle Stimmen. Was die Bilder von Sahin unschwer zeigen.
BLICK hat versucht, Murat Sahin zu erreichen. Jedoch hiess es an seinem Arbeitsplatz, er befinde sich momentan im Ausland. (hlm)