BLICK: Frau Cecchini, sind Sie wirklich die Besitzerin des Gemäldes von Leonardo da Vinci?
Emidia Cecchini: Selbstverständlich. Das Bild ist seit vielen Generationen in Familienbesitz.
Es wurde am Montag von der Kantonspolizei in Lugano beschlagnahmt, weil die italienischen Behörden glauben, dass das Bild in die Schweiz geschmuggelt wurde.
Das ist Unsinn. Das Bild gehörte meiner Grossmutter. Sie stammte von einem italienischen Adelsgeschlecht ab. Es wurde offenbar über die Jahrhunderte weitervererbt. Meine Grosseltern lebten seit 1912 in der Schweiz. Erst im aargauischen Turgi, dann in St. Gallen. Meine Grossmutter hiess Mathilde Guerra, mein Grossvater Romeo. Er war Tabakhändler, hatte ein Depot in Turgi. Das kann ich beweisen. Italien hat überhaupt kein Recht auf das Bild. Ich will es zurück!
Warum taucht das Gemälde erst jetzt auf?
Niemand wusste, dass es ein Leonardo da Vinci ist. Es ist ja nicht signiert. Mein Vater Antonio Cecchini hat den Besitz, also die Antiquitäten und Bilder, der Grossmutter abgekauft. Er liebte besonders dieses Bild. Und sagte immer: «Kind, das wirst du einmal erhalten. Es ist sicher sehr wertvoll.» Als er starb, erbte ich es. Es blieb in Lugano, in einem Schliessfach der Bank UBS. Erst vor einigen Jahren begann ich mich dann wieder dafür zu interessieren.
Wie entdeckten Sie, dass es ein Leonardo da Vinci ist?
Ich liess es begutachten. Ich wusste, dass es sehr alt war. Eine ganze Reihe von Experten kam nach Lugano und schaute sich das Bild an. Sogar der berühmte Da-Vinci-Experte Carlo Pedretti hat es gesehen. Er sagte sofort: Das ist ein Leonardo. Die ganzen Gutachten haben ein Vermögen gekostet, sicher um die 300'000 Franken.
Dann wollten Sie es verkaufen?
Ja, ich beauftragte den italienischen Anwalt Sergio S.* aus Pesaro. Er suchte einen Käufer fürs Bild. Wir waren schon in Verhandlung mit einem Scheich aus Dubai, der das Bild für 95 Millionen Euro kaufen wollte. Im Sommer 2014 wurde Sergio S. auf dem Weg in die Schweiz von der Bahnpolizei kontrolliert. Man fand das Verkaufsmandat. Ich habe das Bild sofort aus dem Tresor der UBS genommen und es in einem Sicherheitsfach einer Privatfirma gelagert. Offenbar wurde Sergio S. abgehört. Jedenfalls bekamen die italienischen Ermittler Wind davon.
Und es wurde am Montag dort beschlagnahmt. Jetzt wird gegen Sie ermittelt – wegen Kunstschmuggels.
Das ist doch unglaublich. Was habe ich denn getan? Das Gemälde ist seit über 100 Jahren in der Schweiz. Ich bin oft dort, habe in Lugano noch immer eine Wohnung. Es ist ein Schweizer Bild, kein italienisches. Mein Anwalt Achille Castignani wird gegen die Beschlagnahmung Einspruch einlegen. Ausserdem stand ein Verkauf bevor.
Wer wollte das Bild kaufen?
Eine englische Gesellschaft wollte das Gemälde für 120 Millionen Franken erwerben. Eine Zürcher Bank, die mit ihr in Verhandlung stand, wollte mir am 16. Februar eine Anzahlung von 40 Millionen Franken überweisen. Das Geld kann ich jetzt vergessen.
Was passiert, wenn die Schweizer Behörden das Gemälde nach Italien ausliefern?
Die italienische Polizei hat schon angekündigt, das Bild zu enteignen, um es dann einem Museum zu übergeben. Das kommt natürlich überhaupt nicht in Frage. Das Bild gehört mir.