Derselbe Mann, dieselbe Botschaft, dieselbe Stimme: Abu Hamza ist deutscher Staatsbürger, promovierter Chemiker und Allahs kurdischstämmiger Terrorkämpfer. Letzten Sommer sprach ich mit ihm – unter strengster Geheimhaltung – auf dem Gebiet des IS, seinem «Kalifat».
In der Nacht auf Samstag meldete er sich via Skype aus dem irakischen Mossul. In schwäbisch-warmem Singsang kündete er «in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten weiteren Tod, Terror und Vernichtung» an. Die Kamera zeigt ihn in schwarzer Ninja-Kostümierung, eine Sturmhaube verbirgt sein Gesicht. Hinter ihm die schwarze Flagge des Islamischen Staats.
«Uns ist heute im heiligen Monat Ramadan eine unerhörte Gnade Allahs zuteil geworden. Unsere heldenhaften jungen Löwen haben an diesem gesegneten Freitag in Tunesien und in Frankreich dem ungläubigen Abschaum seine gerechte Strafe erteilt!» Alles, was Abu Hamza bei unserer Begegnung damals prophezeit hatte, ist eingetreten. Paris: «Charlie Hebdo». Der Terrorakt in Kopenhagen. Und jetzt wieder Frankreich. Inspiriert vom Terrorglauben des Abu Bakr al-Baghdadi hat dort am Freitag der 35 Jahre alte Yassim Salhi zunächst seinem Arbeitgeber Herve C. den Kopf abgeschnitten und versucht, eine Gasfabrik in dem kleinen Ort Saint Quentin-Fallavier bei Lyon in die Luft zu jagen. Der Vater dreier kleiner Kinder wollte die Umgebung der Fabrik chemisch verseuchen.
Die französischen Ermittler gehen davon aus, dass Salhi nicht im Auftrag des IS handelte. Er sei einer jener «einsamen Wölfe, die sich vom Gedankengut des Terrorkalifen Abu Bakr al-Baghdadi inspirieren lassen.» Die europäischen Sicherheitsbehörden vermuten in ganz Europa Tausende solcher Glaubensterroristen. Sie stehen ihnen hilflos gegenüber.
Abu Hamza bestätigt via Skype, dass der Terroranschlag in Frankreich, im Gegensatz zu Tunesien, keine «Auftragsarbeit» des IS war. «Unsere Brüder und Schwestern sind bereit, auch ohne explizite Anweisung die Ungläubigen zu schlagen. Wir sind im Krieg mit euch, ein Krieg bis zur Vernichtung. So wie in Sousse.»
Der Massenmord kostet mindestens 38 Menschen das Leben. Noch bevor der Islamische Staat via Twitter die Verantwortung übernimmt, hatte Abu Hamza al-Almani in unserem nächtlichen Gespräch behauptet, der Islamische Staat habe den Terroranschlag auf die westlichen Touristen geplant und organisiert.
«An dieser Stätte der Gottlosigkeit, der Pornografie wurden die Ungläubigen ihrer Höllenstrafe zugeführt. Überall werden sie in diesem Sommer weiter bluten, weiter sterben», verkündet Abu Hamza im schwülstig-salbungsvollem Tonfall, den Zeigefinger der rechten Hand zum Salafistengruss gen Himmel gereckt: «In Tunesien, in Ägypten, in der Türkei, in Spanien, in Italien, in Griechenland: In keinem Urlaubsland werdet ihr mehr sicher sein.»
Der Terror ist zum europäischen Alltag geworden. Ein französischer Sicherheitsbeamter, studierter Islamwissenschaftler, weist am Samstagmorgen müde darauf hin, dass «dieser Terror natürlich sehr viel mit dem Islam zu tun hat. Er lässt sich durchaus aus dessen Grundlagen legitimieren. Auch wenn die meisten Muslime es von sich weisen und dem nicht nacheifern.» Der Mann weiss um die Brisanz seiner Äusserungen.
Der grossen Mehrheit der Muslime gilt der Ramadan als Zeit der Besinnung, des Friedens, in der Streit und Kämpfe verboten sind. So weit die Theorie. Die Praxis sieht anders aus. Der islamische Staat und seine Vorläuferorganisationen haben sich seit 2003 Jahr für Jahr während des Ramadans in eine monströse Blutorgie des Glaubens hineingesteigert. Der Kalif der islamischen Finsternis, sein irakischer Boss Abu Bakr al-Baghdadi, beruft sich in seinem Glaubensrausch auf den Propheten Mohammed und will so seinen Terror legitimieren. Denn ausgerechnet im Friedensmonat Ramadan hatte Mohammed seine bedeutendsten Schlachten geschlagen. Für den IS ist dies eine blutige Verpflichtung, es dem Propheten gleichzutun.