Jetzt melden sich die Flüchtlinge zu Wort. In einem Schreiben, den die Wortführer der einzelnen Volksgruppen im Park von Como zusammen mit den italienischen Helfern verfasst haben, erheben sie schwere Vorwürfe gegen die Schweiz. Der Brief ist an den Präfekten von Como, Bruno Corda adressiert - und gleicht einem Hilfeschrei.
«Einige von uns haben mündlich um Asyl gebeten, andere taten es schriftlich. Sie schickten alle zurück, auch Minderjährige, Schwangere und Kranke - ohne legalen Beistand», heisst es.
Trotz sprachlicher Hürden gäbe es keine Übersetzer. Niemand würde die Situation der Flüchtlinge und ihre Rechte prüfen. «Die Schweizer Polizei nimmt uns fest, lässt uns entkleiden - auch Kinder und Senioren. Eine betagte Frau musste sich vor einem männlichen Beamten ausziehen, auch wenn ihre Religion dies verbietet. Sie stürzte weinend aus dem Raum«, klagen die Flüchtlinge weiter ihn ihrem Brief.
Geschlechtsteile untersucht
Die Schweizer Polizei wende Gewalt an bei denjenigen, die sich weigerten, sich auszuziehen. Zudem würden immer die Geschlechtsorgane untersucht. Das sei sehr demütigend.
Die Flüchtlinge seien nun seit sechs Wochen am Bahnhof San Giovanni blockiert. Immer mehr leiden darunter. Eine Frau hat ein Kind verloren, eine andere erlitt einen epileptischen Anfall. Die Zahl der Kranken wächst von Tag zu Tag», berichten die Flüchtlinge.
Diese schmerzliche Situation treibe sie zu Verzweiflungstaten. «Aber wir sind keine bösen Menschen. Wir sind einfach nur Flüchtlinge«, versichern die Verfasser des Briefs.
Angst vor dem Vergessen
Dank vieler ehrenamtlichen Helfer sei die Lage, was Essen, Wasser und Duschen anbelangt, in Ordnung. Aber wenn das Hauptproblem, die Schliessung der Grenze, anhalte, würde die Situation unerträglich. «Wir wollen nicht an einen anderen Ort gebracht werden, wo wir und unsere Probleme vergessen werden», so die Zeilen.
Die Situation in Como gleiche vielen Grenzgebieten. «Wir ein Recht darauf, uns frei zu bewegen. Das wird von der Schweiz verletzt», heisst es weiter im Schreiben.
Konkret fordern die Repräsentanten der Flüchtlingsgruppe vom Präfekten in Como: «Wir bitten um neue Gesetze, die eine Lösung für jeden von uns bieten oder einen Sondererlass, der uns erlaubt weiterzureisen. Wenn dies im Augenblick nicht möglich ist, dann bitten wir Sie, sich mit ihrer Stimme uns anzuschliessen, um Druck auf die Schweizer und europäischen Behörden auszuüben und um die unerträgliche Situation zu lösen, die unsere Leben ruiniert und die Bürger dieser Stadt stört.»