BLICK: Frau Payllier, warum wurde der Mörder von Boi nicht in einem richtigen Gefängnis platziert?Nicole Payllier (44), Sprecherin Gerichte Aargau: Die jugendstrafrechtlichen Strafen und Massnahmen fielen mit der Vollendung des 22. Lebensjahrs gemäss Jugendstrafgesetz dahin.
Das Familiengericht in Baden AG hat aber dennoch gehandelt.
Da der Täter eine schwere psychische Störung aufweist, wurde die fürsorgerische Unterbringung angeordnet. Es handelt sich dabei um eine zivil- und nicht um eine strafrechtliche Massnahme.
Seine Unterbringung war also Folge der geltenden Rechtslage? Und es war keine Verwahrung möglich?
Richtig. Es besteht lediglich der Weg über die fürsorgerische Unterbringung. Dies zu ändern, ist Sache der Politik beziehungsweise des Gesetzgebers.
Im Fall von Dirnenkiller Tobi B., der 2008 aus einer Anstalt floh, wurde nachträglich auch der Aufenthalt im Hochsicherheits-Gefängnis angeordnet.
Abgesehen davon, dass sich Fälle auch im Hinblick auf ein Gefährdungspotenzial nie eins zu eins vergleichen lassen, herrscht im Fall B. über die Frage des Orts der fürsorgerischen Unterbringung ein jahrelanger Rechtsstreit. Laut Bundesgericht ist es grundsätzlich nicht zulässig, diese längerfristig in einer Strafanstalt zu vollziehen. Deshalb forderten die Bundesrichter die Aargauer Behörden im November 2015 auf, auch für Tobi B. eine geeignete psychiatrische Einrichtung zu suchen.
Die noch nicht gefunden wurde.
Das ist richtig.
Laut BLICK-Information war dies auch ein Problem bei Bois Mörder.
Ich kann bestätigen, dass ihn ausserkantonale Einrichtungen mit höherem Sicherheitsstandard nicht aufnehmen wollten. Wir können diese im Bereich der fürsorgerischen Unterbringung auch nicht dazu verpflichten.
Hätte man gerade deshalb bei der Wahl der Platzierung des Boi-Killers nicht besser aufpassen sollen?
Die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten wurden ausgeschöpft.
Warum wurde der Killer in Königsfelden nicht besser bewacht?
Dazu können wir nichts sagen. Nur so viel: Königsfelden ist die einzige psychiatrische Einrichtung im Kanton Aargau mit einer geschlossenen Abteilung. Der Täter befand sich auf der Abteilung mit der höchsten Sicherheitsstufe.
Wurde seine Gefahr unterschätzt?
Es wurde alles daran gesetzt und alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft, um ihn sicher unterzubringen. Zudem darf das Rückfallrisiko nicht mit Fluchtgefahr verwechselt werden.
Dennoch: Verstehen Sie das Unverständnis in der Bevölkerung?
Sicher. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass er fürsorgerisch untergebracht war. Deshalb wurde er auch in einer psychiatrische Klinik platziert. Auch wenn diese nicht denselben Sicherheitsstandard aufwies. Nochmals: Es wäre eine Änderung des Gesetzes nötig, um den Handlungsspielraum der Gerichte zu erweitern.
Die Staatsanwaltschaft prüft nun trotzdem, ob die Klinik Fehler gemacht hat. Wie ist dem Mörder die Flucht gelungen?
Dies ist uns nicht bekannt.
In welche Unterbringung kommt er diesmal, falls er gefasst wird?
Dies ist zu berurteilen, wenn er gefasst ist.
Möchten Sie dem immer noch Flüchtigen auf diesem Weg etwas sagen?
Die Botschaft an ihn lautet, dass es in seinem eigenen Interesse liegt, sich zurück in die Behandlung in die psychiatrische Klinik zu begeben.