«Das heute ist unser Tag, der Tag der Schweiz», sagte Karin Keller-Sutter (61) am Freitag bei ihrer Ansprache auf dem Rütli. Salbungsvolle Worte, am Gemütszustand des Landes gingen sie allerdings weit vorbei: Dieser 1. August war alles andere als unser Tag.
Donald Trumps eiskalte Zolldusche schockte die Schweiz. 39 Prozent – ein Fiasko. Und das am Nationalfeiertag!
Ausgerechnet sie, die für ihre Durchsetzungskraft gefürchtete Bundespräsidentin, muss ihre bisher grösste Niederlage einstecken. Die beliebteste Frau im Bundesrat, die einflussreichste dazu, ja, vielleicht die mächtigste Politikerin überhaupt in der Schweiz, steht plötzlich mit dem Rücken zur Wand.
Die FDP-Magistratin, die bis anhin stets knallhart verhandelte, war Trumps Powerplay nicht gewachsen. Und nun fordert sie – die Finanzministerin! – an diesem schwarzen Tag auf dem Rütli tatsächlich, das Thema Zölle solle heute «nicht zu viel Raum einnehmen». Wie bitte?
Man kann Keller-Sutter nicht für die Launen des US-Präsidenten verantwortlich machen. Der Möchtegernkönig, der Lügner, Betrüger und Frauenfeind, nutzt seine Übermacht gnadenlos aus. Und macht die Welt zu seinem Golfplatz.
Allerdings muss sich die Bundespräsidentin den Vorwurf gefallen lassen, dass sie einer Illusion erlegen ist. Sie glaubte, Trump bändigen zu können. «Ich fand offensichtlich den Zugang zu ihm», prahlte sie im Interview mit Blick.
Und nun, kaum einen Monat später, erlebt sie diesen harten Aufprall auf dem Boden der Wirklichkeit. Keller-Sutter hat sich selbst und das Verhandlungsgeschick der Schweiz überschätzt. Da blättert gerade ein bisschen ihres glanzvollen Lacks ab.
Der Bundesrat muss endgültig seine Selbstwahrnehmung und die Maximen seiner Aussenpolitik überdenken. Und sich eingestehen, dass der US-Präsident kein verlässlicher Partner ist. Denn Trump schert sich keinen Deut um die regelbasierte Ordnung und die verfassungsrechtliche Verbundenheit, die unser Land und die USA einst zu «Sister Republics» machten.
Wir müssen uns neue Verbündete suchen. Allen voran in Europa. Denn klar ist spätestens jetzt: Die Abhängigkeit von den USA hat die Schweiz in die Sackgasse geführt.