Unsere Fussballerinnen sind ausgeschieden – die Euphorie bleibt. Vor einer Woche fragten wir auf der SonntagsBlick-Titelseite: «Beginnt hier etwas Neues?»
Ja, zweifellos. Aber was genau?
Fachleute argumentieren, dass durch die Frauen-EM «Gender-Stereotypen» aufgebrochen und «Inklusion» vorgelebt würden. Da bewege sich etwas über den Sport hinaus.
Dieses Gefühl – einigermassen diffus – hatte ich auch. So richtig verstanden habe ich es aber erst, als ich diese Woche mit meinem achtjährigen Sohn ein paar Bälle kickte – und er mir «das Neue» in seiner kindlichen Direktheit plastisch vor Augen führte.
Der Kleine hat eine lebhafte Fantasie. Immer wenn wir Fussball spielen und er aufs Tor zustürmt, kommentiert er lauthals, was er gerade tut. In seiner Vorstellung ist er dann Barças Jungstar Lamine Yamal (18): «Yamal über die Seite!», «Yamal mit einem Knaller!».
Seit knapp zwei Jahren geht das so. Diese Woche aber – er rannte mit seinen kurzen Beinen gerade wieder einmal aufs Tor zu – platzte es aus ihm heraus: «Schertenleib greift an!», «Schertenleib zieht ab!».
Sydney Schertenleib (18) – das Schweizer Nati-Talent, das wie Yamal bei Barcelona kickt. Sie ist das neue Role Model meines Sohns, eine Identifikationsfigur, sein Vorbild.
Wie kaum ein anderer Lebensbereich hielt uns der Fussball jahrzehntelang den Spiegel vor, was unseren Umgang mit Frauen betrifft: Dieser Sport ist Männersache – aggressiv und körperbetont! Da ist Kraft entscheidend, da holt man sich eine blutige Nase. Ja, Vorurteile sind zäh – aber die Geschichten dieser EM sind stärker.
Sichtbarkeit ist die Grundlage, um Rollenbilder aufzuweichen. Die Euro hat das geschafft. Jungs (und Männer) erleben, dass Frauen genauso geschickt, mutig und ehrgeizig sein können. Sie sind auch als Athletinnen gleichwertig, ihre Leistung zählt, ihre Emotionen begeistern die Massen. Diese EM hat das Potenzial, eine Generation zu prägen, die Gleichstellung nicht nur als Ziel, sondern als Selbstverständlichkeit begreift.
Das ist es, was begonnen hat. Und es wird bleiben.